Partizipation neu denken! Langfristige Kooperationen zwischen Kommunen und Bürger:innen fördern

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„All die Aufträge die Klimawandel und Klimaschutz mit sich bringen wird die Regierung und Verwaltung nicht allein stemmen können und es wird daher „Commons-Public-Partnerships“ brauchen. Ihr braucht die Leute, um die Klimaziele zu erreichen! Und ich sage es nochmal: Bürger:innenbeteiligung muss auch gelernt werden, es heißt nicht nur Meckerbriefe zu schreiben, sondern auch die Ressourcen zur Verfügung gestellt zu bekommen, selbst etwas zu verändern und dabei begleitet zu werden.“

Ann-Marie Weber, BNE-Netzwerk Koordinatorin, Marburg

 

Texte d'introduction / Einleitungstext

Die Stadt Marburg hat diese Botschaft verstanden. Derzeit baut sie einen Klimarat auf und sucht die Kooperation mit ihren Bürger:innen. So nimmt die Stadt als Teil ihrer Strategie, bis 2030 klimaneutral zu werden, am Wattbewerb teil. Bei diesem Wettbewerb für Kommunen geht es um den beschleunigten Ausbau von Photovoltaik. Die Herausforderung lautet: Welche Kommune schafft es als erste, ihre installierte Leistung an Photovoltaik zu verdoppeln? Marburg setzt auf Kooperation zwischen Stadtverwaltung, Zivilgesellschaft und Universität, um die Dachbesitzer:innen in der Stadt zu überzeugen, ihre Dächer mit Photovoltaik-Anlagen auszustatten. Doch sind diese Kooperationen zunächst sehr zeitintensiv und verlangen ein großes zusätzliches Engagement der Verwaltungsangestellten, da sie noch nicht als Kernaufgabe der Verwaltung gesehen werden.

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Begründung
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In Deutschland und Frankreich zeigt sich zurzeit ein starker politischer Wille, Bürger:innen stärker in öffentliche Entscheidungen mit einzubeziehen, damit sie die sozial-ökonomische Transformation mittragen. In Frankreich legte die Convention Citoyenne pour le Climat [1] 2020 ihre 149 Empfehlungen vor. Im Koalitionsvertrag der neuen Bundesregierung in Deutschland wird die Einsetzung von Bürger:innenräten durch den Bundestag angekündigt. Erfahrungen aus den Kommunen haben jedoch gezeigt, dass es neben punktuellen Bürger:innenräten auch eine kontinuierliche Kooperation zwischen lokaler Regierung und Bürger:innen braucht, um gegenseitiges Vertrauen aufzubauen und gemeinsam Verantwortung zu übernehmen. Eine nur punktuelle Beteiligung weckt eher falsche Erwartungen und kann in Verwerfungen und öffentlichem Widerstand enden. Daher gilt es, die Idee der Beteiligung von und Kooperation mit Bürger:innen nicht als zusätzliches Mittel, sondern als zentralen Bestandteil der Klimapolitik zu sehen.

Kommunen haben hier bereits einen breiten Erfahrungsschatz aufgebaut. So arbeitet die französische Gemeinde Loos-en-Gohelle bereits seit Jahren mit dem Fifty-Fifty Ansatz, bei dem die Gemeinde Ideen aus der Bevölkerung ohne formelle Antragsstellung aufnimmt. Zur Umsetzung einer Projektidee teilen sich Stadtverwaltung und Zivilgesellschaft die Bereitstellung der Ressourcen. Kommunen in Deutschland wie z.B. Berlin oder Münster haben in der Erprobung von public-common partnerships Pionierarbeit geleistet.

Das Deutsch-Französische Zukunftswerk versteht Commons-Public Partnerschaften als Reallabore, welche mit neuen Kooperationsformen experimentieren und Veränderungsprozesse anstoßen. Commons-Public Partnerschaften sind Kooperationsmodelle, die staatliche und zivilgesellschaftliche Akteure langfristig zusammenbringen, um sich für das Gemeinwohl einzusetzen. Sie können somit die sozial-ökologische Transformation beschleunigen und Verwaltungen maßgeblich bei der Erreichung ihrer Klimaziele unterstützen.

Langfristige Bürger:innenbeteiligung kann nicht einfach neben her geschehen. Sie will gelernt sein und braucht Unterstützung. Dies hat das Land Baden-Württemberg erkannt und 2021 ein Gesetz zur Bürger:innenbeteiligung verabschiedet. Es sieht vor, dass die Verwaltung die Bevölkerung zu einem Thema frühzeitig konsultiert. Gleichzeitig unterstützt die baden-württembergische Service-Stelle Bürger:innenbeteiligung breite Partizipationsprozesse, so z.B. durch Beratungsangebote für Kommunen, direkte Unterstützung für zivilgesellschaftliche Initiativen und einen Leitfaden für eine neue Verwaltungskultur.

In Frankreich wurde ein Interministerielles Zentrum für Bürger:innenbeteiligung ins Leben gerufen, um öffentliche Bedienstete in ihren Bemühungen um effektive Einbindung von Bürger:innen zu begleiten. Ebenso wird derzeit ein sogenannter Beschleuniger für Bürgerinitiativen eingeführt. Diese Instrumente richten sich jedoch nicht an Kommunen. Ähnliche Instrumente auf regionaler Ebene bleiben selten und bescheiden im Umfang.[2]

 

[1] In 2019 setzte die französischen Regierung die Convention Citoyenne pour le Climat als Rat von 150 französischen Bürger:innen ein, um sozial gerechte Maßnahmen zur Reduktion der Treibhausgasemissionen zu beraten und vorzuschlagen.

[2] Ein Beispiel ist das Programm „Particip’action en Ile-de-France“ welches über nationale Fördermittel unterstützt wird: https://www.driee.ile-de-france.developpement-durable.gouv.fr/dispositif-particip-action-en-ile-de-france-r1864.html.

 

Titel
Plädoyer
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Die Erfahrungen deutscher und französischer Kommunen haben gezeigt, dass die Einführung von Formaten kontinuierlicher Zusammenarbeit zwischen Verwaltung, Zivilgesellschaft und Bürger:innen das Potenzial für Innovation und positive Veränderung tragen. Diese Formen der Kooperation verharren bisher in den Debatten um Klimapolitik und soziale Resilienz in einer Nische.

Die französische und die deutsche Regierung sollten deshalb die Etablierung und Weiterentwicklung von Formaten der kontinuierlichen Kooperation zwischen Bürger:innen, Zivilgesellschaft und den kommunalen Verwaltungen unterstützen. Die Kommunen benötigen solche Kooperationen zur Erreichung ihre Nachhaltigkeitsziele.

Dies verlangt nach einem proaktiven, mit den Kommunen und der Zivilgesellschaft zusammen gestalteten nationalen Aktionsprogramm zur:

  • Entwicklung von Instrumenten, Methoden und Formaten der Beteiligung und Kooperation.
  • Bereitstellung eines Weiterbildungsangebots für lokale Mandatsträger:innen und Verwaltungsangestellte, das den Kompetenzerwerb zu nachhaltigen Kooperationsformen zwischen Kommunen, Zivilgesellschaft und Bürger:innen ermöglicht.

Denn erst wenn Beteiligung und Kooperation zur Kernaufgabe, angemessen finanziert und ernsthaft verfolgt werden, können sie ihre Wirkung entfalten. Beteiligung und Kooperation erfordern darüber hinaus, dass die lokalen Verwaltungen die Öffnung der Daten beschleunigen und Transparenz herstellen. Die nationalen Regierungen sollten die nötigen gesetzlichen Rahmenbedingungen schaffen und methodisch unterstützen.

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Aktionsvorschläge

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Bürger:innenbeteiligung als zentralen Bestandteil im kommunalen Klimaschutz etablieren
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Dafür empfiehlt das Deutsch-Französische Zukunftswerk den Regierungen Deutschlands und Frankreichs folgende Maßnahmen zu ergreifen:

Die nationalen Regierungen sollten die Einrichtung von Partizipations-Servicestellen unterstützen, die sich am Beispiel des Beteiligungsportals Baden-Württemberg orientieren. Diese Servicestellen sollten:

  • Beteiligungsmöglichkeiten auf kommunaler Ebene aufzeigen und erläutern,
  • Good Practice-Beispiele erfolgreicher Beteiligungsformate sichtbar machen,
  • Qualifizierung und Kompetenzerwerb durch Fort- und Weiterbildungsangebote für gewählte lokale Vertreter:innen und Beschäftigte der Kommunalverwaltungen ermöglichen, und
  • einen Pool an akkreditierten Expert:innen für Moderation, Prozessbegleitung und Mediation bereitstellen.
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Etablierung eines Bundeskompetenzzentrums für Commons-Public Partnerschaften
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Dafür empfiehlt das Deutsch-Französische Zukunftswerk den Regierungen Deutschlands und Frankreichs folgende Maßnahmen zu ergreifen: 

Commons-Public Partnerschaften machen die Ressourcen, die Ideen und den Gestaltungswillen zivilgesellschaftlicher Akteure vor Ort nutzbar. Die Qualifizierung der gewählten Vertreter:innen, der Kommunalverwaltungen und der lokalen Zivilgesellschaften ist dabei zentral, um nachhaltige Kooperationsformate aufzubauen.

Titel
Schaffung eines Rechtsrahmens, der sich am Beispiel der Freiwilligen Feuerwehr orientiert, und eine zeitlich begrenzte Zusammenarbeit zwischen engagierten Bürger:innen und der Kommunalverwaltung ermöglicht
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Dafür empfiehlt das Deutsch-Französische Zukunftswerk den Regierungen Deutschlands und Frankreichs folgende Maßnahmen zu ergreifen:

Ein solcher Rechtsrahmen kann Anreize für ein langfristiges Volontariat schaffen durch Schulungen und Weiterbildungsmöglichkeiten, steuerfreie Aufwandspauschalen, eine geregelte Unfall- und eine Haftpflichtversicherung, sowie Möglichkeiten der Rentenvergütung.

Titel
Unterstützung nachhaltiger Kooperationsprojekte zwischen lokalen Verwaltungen und Akteuren der Zivilgesellschaft durch einen deutsch-französischen Fonds
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Dafür empfiehlt das Deutsch-Französische Zukunftswerk den Regierungen Deutschlands und Frankreichs folgende Maßnahmen zu ergreifen:

Ein solcher Fonds kann die Vernetzung und das gegenseitige Lernen zwischen Projekten in Deutschland und Frankreich ermöglichen. Um erfolgreich zu sein und einen echten Nutzen für die Projektträger zu gewährleisten, ist es entscheidend, dass die so gewährte Unterstützung mehrere Jahre andauert.

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Empfehlung 6 - Partizipation neu denken! Langfristige Kooperationen zwischen Kommunen und Bürger:innen fördern
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