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„Die Siegplatte abzureißen war das Beste, was die Stadt machen konnte“

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Siegen | Katinka Bätzing im Gespräch
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Portrait de Katinka Bätzing dans un parc
Légende
Stadtplanerin und Architektin Katinka Bätzing im neu gestalteten Dr. Dudziak Park im Siegener Stadtteil Geisweid.
Accroche / Aufhänger
Wie hat sich die Stadt Siegen in den letzten Jahren verändert? Vor welchen Herausforderungen steht sie? Welche Zukunftsvisionen gibt es? Die geborene Siegenerin Katinka Bätzing berichtet.

Katinka Bätzing ist in Siegen aufgewachsen. Nach dem Studium arbeitete sie einige Jahre in Architekturbüros in Wien und kehrte dann nach Siegen zurück, um in der Stadtverwaltung tätig zu werden. Dort ist sie für die Entwicklung der außenliegenden Stadtteile sowie für die Dorferneuerung zuständig.
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Interview geführt von Stéphanie-Fabienne Lacombe

 

Frau Bätzing, Sie sind nach sieben Jahren in Österreichs Hauptstadt Wien zurück in Ihre Heimatstadt Siegen gezogen. Wie hat sich Siegen in dieser Zeit verändert?

Seit meiner Rückkehr habe ich den Eindruck, dass die Stadt sehr bestrebt ist, Siegen in „ein neues Zeitalter“ zu führen. Ich spüre, dass Siegen gewillt ist, sowohl in Wirtschaftsstärke als auch in ein attraktives Stadtbild zu investieren. Ich denke, ich spreche da für die meisten Siegener:innen, wenn ich sage, dass die Siegplatte (Anm. d. Red. ein Parkplatz über dem Fluss Sieg) abzureißen und „Siegen zu neuen Ufern“ zu führen das Beste war, was die Stadt machen konnte. Für mich stellt das Projekt den Anfangspunkt einer Reihe von Erneuerungen dar, um aus alten Strukturen auszubrechen, die innerstädtische Lebensqualität zu verbessern und weitere positive Veränderungen anzustoßen.

Wien ist 2022 als „lebenswerteste Stadt der Welt“ gerankt worden. Was nehmen Sie von Ihrer Zeit in Wiener Architekturbüros für die Siegener Stadtentwicklung mit?

Durch meine Arbeit und mein Leben in Wien habe ich gelernt, dass Modernisierung und historisch gewachsene Identität kein Widerspruch sind: Es ist möglich, ein modernes und zugleich naturnahes Stadtbild mit überdurchschnittlich hoher Lebensqualität zu schaffen, ohne die geschichtsträchtigen architektonischen Elemente zu „verbauen“ und ohne zentrumsnahe Bezirke zu überfrachten.

Für Siegen würde ich folgendes daraus mitnehmen: Wir sollten die Altstadt mehr einbinden und hervorheben, attraktiver gestalten sowie weitere grüne Aufenthaltsorte schaffen, um innerstädtische Bereiche aufzulockern.

Welche ist Ihrer Meinung nach Siegens größte Herausforderung? Welche Antworten findet die Stadt darauf?

Die größte Herausforderung ist, die Innenstadt für verschiedene Generationen attraktiver zu gestalten. Insbesondere die Oberstadt muss wieder lebendiger werden, damit sie ein aktiver Teil der Innenstadt bleibt. Der klassische Stadtbummel findet momentan eher in der Unterstadt statt, wo auch eine der beiden Einkaufsstraßen, der Bahnhof und das Einkaufszentrum angesiedelt sind. In der Oberstadt brauchen die Gastronomie und der Einzelhandel einen neuen Anstrich sowie neue Nutzungskonzepte, vor allem im Bereich der etwas steileren Kölner Straße, die die Unter- und Oberstadt miteinander verbindet. Das heißt konkret: neue, frische Lokale, die neugierig machen und zum Verweilen einladen.

Die Stadt geht die Wiederbelebung der Oberstadt durch eine Mischung aus temporären und dauerhaften Maßnahmen an. Sie organisiert beispielsweise Veranstaltungen wie das Open-Air-Kino oder Konzerte im Schlosspark und hat dort auch einen Erlebnisspielplatz gebaut. Das hat auch zu einem Zuwachs an gastronomischem Angebot geführt.  Die Kombination aus Temporärem und Dauerhaftem beurteile ich als sehr positiv. Eine dauerhafte Installation im Veranstaltungsbereich oder der Gastronomie kann mit abwechslungsreichen temporären Maßnahmen ergänzt werden. Wir haben dadurch die Möglichkeit, unterschiedliche Nutzerinteressen anzusprechen, unterschiedliche Ansprüche und (Jahres-)Zeiten aufzugreifen, sowie Neugierde zu wecken, Neues auszuprobieren oder sich dann doch einfach dem Altbekannten hinzugeben. Diese Abwechslung kann sehr erfrischend wirken, sollte aber gezielt und nicht zu ungeplant eingesetzt werden. Außerdem werden im Innenstadtbereich neue grüne Aufenthaltsbereiche wie der Herrengarten geschaffen.

Welche Herausforderungen gibt es außerdem?

Die Siegener Innenstadt ist immer noch stark durch Autos und Verkehr belastet. Hier ist aus meiner Sicht noch Potential vorhanden, um die Aufenthaltsqualität zu verbessern.

Eine weitere Herausforderung für die Stadtverwaltung ist, Transparenz in der Kommunikation gegenüber den Bürger:innen zu schaffen. Die Herausforderung liegt sicherlich darin, sowohl jüngere als auch ältere Generationen gleichermaßen zu erreichen und abzuholen. Soziale Medien sind ein geeigneter Kommunikationskanal unter jüngeren Generationen, wohingegen der Dialog mit der älteren Generation unter Umständen anders aussehen muss. Mit Hilfe von Online-Beteiligungen wie auf der Plattform der Stadt, kann ich natürlich vermeintlich schneller Information einholen, die persönliche Kommunikation darf dabei aber nicht verloren gehen. Daher sollten öffentliche Veranstaltungen auch weiterhin als ein unterstützendes Mittel genutzt werden, um mit der Bürgerschaft in Kontakt und Dialog zu treten. Wir müssen also viele Kanäle gleichzeitig nutzen und dabei den Überblick behalten, wann, wo und besonders welche Informationen ausgegeben werden können und sollten.

In der Stadtverwaltung sind Sie für die außenliegenden Stadtteile zuständig. Wie würden Sie das Verhältnis zwischen der Innenstadt und den außenliegenden Stadtteilen beschreiben?

Die städtisch geprägten Bereiche, die an die Innenstadt angrenzen, sind anonymer, großstädtischer. Die außenliegenden Stadtteile haben eher dörflichen Charakter und sind hinsichtlich verkehrlicher Anbindung und Infrastruktur weniger stark ausgeprägt. Die Stadt hat ein aktives Interesse daran, alle Stadtteile zu fördern. Auch die Bürger:innen der umliegenden Stadtteile sollen sich als Siegener:innen fühlen. Zum Beispiel hat die Stadt den Dr. Dudziak Park in Siegen-Geisweid neugestaltet und das Bürgerhaus in Siegen-Seelbach saniert.

Die wirtschaftswissenschaftliche Fakultät ist 2016 in die Innenstadt gezogen. In Zukunft sollen weitere Teile der Siegener Universität nachziehen. Was versprechen Sie sich vom Großprojekt „Siegen. Wissen verbindet“?

Eine Universität zentral in der Stadt zu haben, wie es beispielsweise in Marburg oder auch in Wien der Fall ist, wo ich selbst studiert habe, ist großartig. Es belebt die Stadt und macht sie attraktiver. Wien ist aufgeschlossen, modern, in jeder Hinsicht bunt, jung und vielfältig. Das hat mir an Siegen ein wenig gefehlt.

„Siegen. Wissen verbindet“ ermöglicht uns, über die Studierenden hinaus ein Bewusstsein bei allen Bürger:innen zu schaffen, die Stadt zu öffnen und neue Perspektiven zu schaffen. Durch dieses Projekt können wir Siegen weiter öffnen und neue Perspektiven schaffen. Mehr Studierende bedeutet einen Zulauf unterschiedlicher Kulturen, Ideen und unter Umständen neuer unternehmerischer Ansätze und Impulse.