Handlungsräume – Dynamisierung lokaler nachhaltiger Stadtentwicklung
Was München als Initiative auszeichnet
Seit 1998 bildet die sogenannte Perspektive München das strategische Stadtentwicklungskonzept der bayerischen Landeshauptstadt. Sie versammelt verschiedenste Analysen und Prognosen und ist zugleich Plattform für die Einbeziehung der Bürger:innen. Mit ihr möchte die Stadt eine solidarische Stadtgesellschaft und zukunftsfähige Siedlungsstrukturen fördern. Besonders anspruchsvoll ist dabei Münchens Ziel, bis 2035 klimaneutral zu sein. Viel zu tun also! Wie schafft man es, mit einem imposanten Verwaltungsapparat in kurzer Zeit in die Umsetzung zu kommen? Münchens Lösung dafür ist der sogenannte Handlungsraumansatz, ein neues Instrument, das die Prozesse zur Umsetzung der Perspektive München optimieren soll.
Robert Kulzer ist bei der Stadt München der Manager des Handlungsraums 3. Der Handlungsraum 3 ist der erste Handlungsraum, der in die Umsetzung gegangen ist. Kulzer bringt seine bisherigen Erfahrungen auf den Punkt: „Was wir mit dem Handlungsraum erreichen, ist mehr Zusammenarbeit.“ Für einen Zeitraum von mindestens fünf bis sieben Jahren wendet sich die Stadt fachübergreifend einem Schwerpunktraum zu. Diese Handlungsräume weisen eine besondere Dynamik auf, zum Beispiel ein überdurchschnittliches Bevölkerungswachstum oder wirtschaftlichen Strukturwandel. Im Handlungsraum 3 gab es zuvor zum Beispiel zwei große Sanierungsgebiete. Zum einen werden Synergien zwischen bereits laufenden oder geplanten Projekten geschaffen, zum anderen können in einem Handlungsraum neue Projektideen kollaborativ erarbeitet werden. Das Besondere daran: Durch ein integriertes Entwicklungskonzept und das Handlungsraummanagement werden die Projektverantwortlichen der Stadt fachübergreifend mit lokalen Akteur:innen an einen Tisch gebracht. Sie arbeiten dabei über administrative Grenzen hinweg und suchen nach Anknüpfungspunkten mit anderen Fachreferaten oder benachbarten Stadtbezirken.
Als erster von bisher neun geplanten Handlungsräumen wurde 2016 der Handlungsraum 3 – Rund um den Ostbahnhof, Ramersdorf, Giesing in Angriff genommen. Der Handlungsraum 3 dient als Modellraum, um Lernerfahrungen für die langfristige Etablierung des Handlungsraumansatzes zu verfolgen. Die Dynamik liegt für das Stadtgebiet vor allem im starken Bevölkerungswachstum, einem wirtschaftlichen Strukturwandel sowie in den hohen sozialen Herausforderungen. Drei Schwerpunktfragen stehen im Fokus: (1) Wie kann sich der Standort vom klassischen Gewerbe hin zum modernen Dienstleistungsstandort entwickeln und welche Konsequenzen hat das für Wohn- und Arbeitsräume? (2) Wie können wir Grünflächen im öffentlichen Raum erhalten und uns mit einer Umverteilung von Flächen besser an den Klimawandel anpassen? (3) Wie können wir der wachsenden Bevölkerung auch zukünftig soziale Infrastrukturen und bezahlbaren Wohnraum bieten?
Seit 2020 hat der Handlungsraum einen Manager und befindet sich in der Umsetzung. Das Management hat die Aufgabe, die nachhaltige Stadtentwicklung durch die Integration verschiedener Fachreferate und lokalen Stakeholder:innen sowie Bürger:innenbeteiligung zu dynamisieren. Seit 2016 hat sich hierbei der Schwerpunkt des Handlungsraumes weiterentwickelt. Fragen von Klimaschutz, Klimaanpassung und der Digitalisierung haben einen höheren Stellenwert bekommen. Dies spiegelt sich auch in zwei der aktuellen Projekte wider: Erstens wurde für ein Teilgebiet ein Integriertes Digitales Entwicklungskonzept erarbeitet, welches insbesondere Fragen von digitaler Teilhabe adressiert. Zweitens sollen im Handlungsraum zwei integrierte, klimaneutrale und klimaresiliente Pilotquartiere entwickelt werden. Zwei Beispiele dafür, wie durch den Handlungsraum innovative Stadtentwicklungsprojekte in das Stadtgebiet geholt werden konnten.
Die bisher gewonnenen Erkenntnisse nutzt München nun auch für die nächsten beiden Handlungsräume in Neuperlach und in der Innenstadt, deren Bearbeitung inzwischen begonnen hat.
Die Zusammenarbeit mit dem Deutsch-Französischen Zukunftswerk
Nach über drei Jahren Experimentieren war es Zeit für eine Retrospektive. Das Deutsch-Französische Zukunftswerk hat gemeinsam mit der Landeshauptstadt München eine Potenzialanalyse erstellt, die die Stärken des Handlungsraumansatzes herausstellt und Empfehlungen zur Weiterentwicklung formuliert. Für deutsche und französische Kommunen kann der Handlungsraumansatz Inspiration sein: Die Münchner Handlungsräume ermöglichen durch eine hierarchiearme agile Zusammenarbeit nachhaltige Stadtentwicklungsprojekte voranzutreiben. Lesen Sie hier die vollständige Studie.
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Wirtschaftlicher Kontext:
München weist unter den deutschen Städten die zweitstärkste Wirtschaftsleistung auf. Seine Arbeitslosenquote liegt mit 3,7 Prozent (04/2022) unter dem Bundesdurchschnitt. Die Wirtschaft der Stadt wird von den Bereichen Unternehmensdienstleistungen, Grundstückswesen und Beratung dominiert.
Politischer Kontext:
Seit 2014 ist Dieter Reiter (SPD) regierender Oberbürgermeister von München. Im Stadtrat gibt es seit 2020 eine grün-rote Ratsmehrheit, nachdem die Grünen bei der Kommunalwahl im selben Jahr erstmals als stärkste Partei im Stadtrat abschnitten.
Chronologie der Münchner Handlungsräume:
1998: Einführung der Perspektive München als übergreifendes Stadtentwicklungskonzept
2016: Veröffentlichung des integrierten Handlungsraumkonzepts für den Handlungsraum 3
2018: Beschluss der Umsetzung des Handlungsraum 3 durch den Stadtrat
2019-2021: Letzte Fortschreibung der Perspektive München
2020/2021: Erstellung des integrierten Handlungsraumkonzept für Neuperlach
2022: Beginn der Erstellung des integrierten Handlungsraumkonzepts für die Innenstadt