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In Dänemark ist Wärmeversorgung nachhaltig und sozialverträglich

État / Zustand
Wärmenetze ohne Profit
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schneebedeckter Kanal mit Segelbooten, dahinter befindet sich eine bunte Häuserzeile.
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Während der Kanal Nyhavn in Kopenhagen zufriert, ist es in den Häusern warm. Fast alle Haushalte sind in Kopenhagen an Fernwärme angeschlossen. | Foto: Guillaume Baviere auf flickr.com (CC BY-SA 2.0)
Accroche / Aufhänger
In Dänemark gilt für die Wärmeversorgung das Prinzip der Gemeinnützigkeit: Betreiber von Wärmenetzen dürfen ihren Kund:innen nur notwendige Kosten in Rechnung stellen. Das führt zu erschwinglichen Preisen für die Verbraucher:innen. Dennoch hat das Prinzip Investitionen in Innovation und Energieeffizienz nicht verhindert. Der Anteil erneuerbarer Wärme ist hoch. Wie sieht eine sozial gerechte, nachhaltige Wärmeversorgung in Dänemark aus? Wäre ein solcher Ansatz auch für Deutschland und Frankreich denkbar? Stéphanie-F. Lacombe und Anna Reinhard auf der Suche nach Antworten.
Date de publication / Veröffentlichungsdatum
02.09.2024
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Von Stéphanie-F. Lacombe und Anna Reinhard
Übersetzung ins Französische von Stéphanie-F. Lacombe und Marion Davenas

 

Es ist ein kalter Wintermorgen in Kopenhagen. Die Straßen sind von einer dünnen Schneeschicht bedeckt, die Luft ist frisch und klar. Doch in den Häusern der Stadt herrscht wohlige Wärme. Die Bewohner:innen genießen die Behaglichkeit ihrer gut beheizten Wohnungen, ohne sich Sorgen über hohe Heizkosten machen zu müssen. Dieses Szenario ist keine Ausnahme, sondern die Regel in Dänemark: in einem Land, das es geschafft hat, eine sozial gerechte und nachhaltige Wärmeversorgung für seine Bürger:innen zu gewährleisten. „Wärmenetze haben in Dänemark eine lange Geschichte. Das erste Wärmenetz wurde bereits 1904 erbaut; die Wärmeplanung ist bei uns seit 1979 verbindlich“, beschreibt Noémi Schneider von der Dänischen Energieagentur die Anfänge der dänischen Wärmeversorgung. Heute sind rund zwei Drittel der Haushalte in Dänemark an ein Wärmenetz angeschlossen, in Kopenhagen sind es sogar fast alle. Die Wärmeplanung gilt seit 1990 als abgeschlossen. Ein himmelweiter Unterschied zu Deutschland, wo die Wärmeplanung gerade erst verbindlich im Gesetz verankert wurde. In Frankreich fehlt eine solche Verankerung bisher, auch wenn einige Gebietspläne für Klima, Luft und Energie (PCAET) eine Analyse der Entwicklungs- und Dekarbonisierungsmöglichkeiten von Wärmenetzen umfassen.

In den 1970er-Jahren wollte die dänische Regierung die Wärmeversorgung unabhängig von Ölimporten sichern und die Energiekosten langfristig reduzieren. Das Wärmeversorgungsgesetz von 1979 ebnete dafür den Weg. Das Gesetz verpflichtet Netzbetreiber, nachzuweisen, dass sich ein Anschluss für die Haushalte finanziell lohnt, grüner und günstiger ist als eine individuelle Gasheizung (sog. „größter sozioökonomischer Nutzen“). Nur wenn diese Bedingung erfüllt ist, wird das Netz von der Kommune genehmigt.

Dänemark setzt auf erneuerbare Wärme

Strukturelle Bedingungen begünstigen die Wirtschaftlichkeit und die Nachhaltigkeit der Wärmenetze: Fossile Energieträger werden in Dänemark stark besteuert, was die leitungsgebundene Wärmeversorgung meist wirtschaftlicher als dezentrale fossile Heizungen macht. Der Anschluss an ein Wärmenetz ist inzwischen oft die günstigste Variante, während die Versorgung mit Gas am teuersten ist.

„Heute schließt die Genehmigung von Wärmeprojekten auch Umweltaspekte wie CO2-Emissionen mit ein“, so Noémi Schneider. Die dänischen Wärmenetze werden zu fast 77 Prozent aus erneuerbaren Wärmequellen und Abwärme gespeist (Gesamtproduktion 35 TWh). Zum Vergleich: Der Anteil erneuerbarer Wärme und Abwärme in französischen Wärmenetzen beträgt 65 Prozent (Gesamtproduktion 26 TWh). In Deutschland sind es 27 Prozent (Gesamtproduktion 128 TWh).

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Drei Kreisdiagramme in Gelb und Blau, darüber die Flaggen von Deutschland, Frankreich und Dänemark
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Beim Anteil erneuerbarer Energien und unvermeidbarer Abwärme an der Fernwärme liegt Dänemark weit vorn. | Grafik: Deutsch-Französisches Zukunftswerk. | Quellen: France Chaleur Urbaine, www.waermewende.de, BMWK, www.euroheat.org
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Viel Gestaltungsspielraum durch Kommunen und Bürger:innen

Die Wärmeplanung in Dänemark bietet den Kommunen viel Gestaltungsspielraum. So entscheiden lokale Entscheidungsträger:innen über die Wärmeversorgungssysteme, solange diese mit nationalen Strategien übereinstimmen. Die Bewohner:innen können die Wärmeversorgung vor Ort durch ihre Stimme bei Kommunalwahlen direkt beeinflussen oder eine eigene Genossenschaft für den Betrieb des Wärmenetzes gründen, was die lokale Akzeptanz stärkt und dafür sorgt, dass die Wärmeversorgung im Interesse der Allgemeinheit erfolgt. Die dänischen Betreibermodelle ermöglichen viel Mitbestimmung, bestätigt auch Noémi Schneider: „In Dänemark sind die meisten Betreiber von Wärmenetzen Stadtverwaltungen oder Genossenschaften. So sind die Verbraucher: innen gleichzeitig auch Eigentümer: innen ihres Wärmenetzes und beteiligen sich an dessen Governance.“

Das Prinzip der Gemeinnützigkeit

Egal ob Stadtverwaltung oder Genossenschaft, alle Wärmenetzbetreiber müssen sich an das Gemeinnützigkeitsprinzip halten, das ebenfalls im Wärmeversorgungsgesetz von 1979 festgeschrieben ist. Noémi Schneider erklärt: „Wärmenetze sind, wie jede Energieinfrastruktur, ein natürliches Monopol. Daher ist es notwendig, die Preise zu regulieren, um die Verbraucher:innen zu schützen. Das Gemeinnützigkeitsprinzip legt fest, dass nur notwendige Kosten den Verbraucher:innen in Rechnung gestellt werden dürfen.“ Die Betreiber:innen müssen kostendeckend operieren, es dürfen keine Gewinne erwirtschaftet werden, Überschüsse müssen zurückgezahlt oder in Projekte zur Verbesserung des Wärmenetzes investiert werden – das sorgt für faire und stabile Preise. Die Mitglieder einer Genossenschaft profitieren somit nicht von einer Gewinnausschüttung, dafür aber von niedrigen Wärmepreisen. „Gleichzeitig wird der Verbraucherschutz auch durch Preistransparenz gewährleistet: Die Heizkostenrechnung muss alle Kosten, die in Rechnung gestellt werden, detailliert aufführen. Zusätzlich kontrolliert die Aufsichtsbehörde diese Preise und die Budgets der Fernwärmeunternehmen", so Noémi Schneider. Das soll sicherstellen, dass die Einnahmen effizient und im Sinne der Allgemeinheit verwendet werden. Das Gemeinnützigkeitsprinzip wird überparteilich unterstützt, es besteht seit vielen Jahren ein breiter politischer Konsens, unabhängig von der jeweiligen Regierungskonstellation.

Um den (Aus)Bau von Wärmenetzen zu finanzieren, können Kommunen auf günstige Darlehen der Finanzinstitution KommuneKredit zurückgreifen. Sie befindet sich im Besitz aller dänischen Kommunen und Regionen. Ihre Aufgabe ist es, nachhaltige Projekte auf lokaler Ebene zu günstigen Konditionen zu ermöglichen.

Gemeinnützige Wärmeversorgung: ein denkbares Modell für Deutschland und Frankreich?

Das dänische Gemeinnützigkeitsprinzip für Wärmenetze ist ein wichtiger Baustein für eine sozial gerechte und umweltfreundliche Wärmeversorgung. Es stellt sicher, dass die Wärmeversorgung im Interesse der Gemeinschaft erfolgt, finanziell fair gestaltet ist und ökologische Nachhaltigkeit fördert.

Eine Übertragung des dänischen Gemeinnützigkeitsprinzips auf Deutschland und Frankreich wäre herausfordernd. Dänemark hat 50 Jahre Vorsprung, die schwierig aufzuholen sind. Der regulatorische Rahmen müsste angepasst werden, um ein Profitverbot zu verankern und in Deutschland insbesondere für die Stadtwerke alternative Finanzierungsmodelle und -quellen zu entwickeln. Kommunale und genossenschaftliche Betreibermodelle ohne Gewinnabsicht müssten stärker gefördert werden, um profitorientierte Netzbetreiber zu ersetzen. Letztlich wäre auch eine breite politische und gesellschaftliche Unterstützung notwendig, um das Gemeinnützigkeitsprinzip erfolgreich zu implementieren. Diese fehlt in beiden Ländern noch. In einem Punkt haben sich Deutschland und Frankreich allerdings Dänemark angenähert: Preistransparenz gibt es in Frankreich über die jährliche Erhebung des Städtenetzwerks AMORCE bereits - in Deutschland ist eine entsprechende Plattform, die Preistransparenzplattform Fernwärme, gerade im Aufbau.