Type d'actualité / Nachricht typ
Beiträge

Planspiel als Instrument der interkommunalen Kooperation

Image principale / Bild
Thumbnail
Personnes à une table qui se penchent sur des feuilles.
Légende
Foto : tirachardz, Freepik
Accroche / Aufhänger
Die Zusammenarbeit zwischen Gemeinden ist notwendig, um einen umfangreichen Wandel in Gang zu setzen. Doch wie knüpft man diese Arbeitsbeziehungen, die aus dem üblichen Rahmen fallen? Planspiele können dabei helfen.
Date de publication / Veröffentlichungsdatum
20.02.2023
Contenu / Inhalt
Texte / Text

Für die Nutzer:innen ist es einfach, mit dem Fahrrad von einer Kommune in die nächste zu fahren. Für Gemeinden kann es zur Herausforderung werden, gemeinsam ein Radwegenetz zu schaffen. Auf der vierten Jahreskonferenz des Nationalen Kompetenznetzwerks für nachhaltige Mobilität (NaKoMo) stellten sich die Teilnehmenden im November 2022 die Frage, wie es gelingen kann, durch interkommunale Zusammenarbeit und im Dialog zwischen Politik, gesellschaftlichen Institutionen und Bürger:innen eine zukunftsfähige und nachhaltige Mobilität in unseren Kommunen voranzutreiben. Da die Zusammenarbeit zwischen lokalen und regionalen Gebietskörperschaften eine der Empfehlungen des Zukunftswerkes ist, haben wir uns intensiv mit den Vorschlägen der Konferenz auseinandergesetzt.

Interkommunale Kooperation: handeln statt reden

Zu den größten Herausforderungen zählt dabei die interkommunale Kooperation. Kommunen haben eine Menge Berührungspunkte, zum Beispiel über die Kreisumlage oder Schlüsselzuweisungen. Sie stehen in ständigem Austausch miteinander. Und dennoch ist es für viele schwierig, im Bereich der nachhaltigen Stadtentwicklung miteinander zu kooperieren. Das Handeln ist häufig der fehlende Schritt – aber warum?

Tanja Dornieden von der Agentur KoKo Kommunikation Konsens Konzept vermutet dahinter eine psychologische Ursache, die nur durch Handeln überwunden werden kann: Das gemeinsame Durchleben eines fiktiven Prozesses, kann dabei helfen, sich auf eine Kooperation einzulassen. Zu diesem Zweck schlägt sie den Einsatz von Planspielen vor. Die Zusammenarbeit zwischen Kommunen ist übrigens auch das Ziel einer der Empfehlungen des Zukunftswerks: Um diese zu fördern, braucht es langfristige Finanzierungen, die die Bildung von Bündnissen zwischen mehreren Institutionen explizit unterstützen. Ergänzend dazu können Planspiele ein Mittel sein, um den Aufbau von Kooperationen konkret zu begleiten.

Fallstudie kommunaler Innenentwicklungsfonds

Tanja Dornieden stellte auf der NaKoMo-Jahreskonferenz ein Werkzeug vor, das Kommunen bei dieser Hürde hilft: das Planspiel. Als Beispiel griff sie eine Kooperation von 47 Gemeinden der Landkreise Nienburg/Weser und Gifhorn in Niedersachsen auf, die im Jahr 2018 ein solidarisches Finanzierungsmodell in einem solchen Planspiel testeten.

Diese Gemeinden hatten die Notwendigkeit erkannt, ihre finanziellen Ressourcen zusammenzulegen. Ein gemeinsamer Innenentwicklungsfonds soll Projekte finanzieren, die dem Aussterben der Stadtkerne entgegenwirken. Begleitet von Forscher:innen der Georg-August-Universität Göttingen entwickelten die Gemeinden in einem fast dreijährigen Abstimmungsprozess ein gemeinsames Fondsmodell sowie ein Antrags- und Bewertungsverfahren. Die große Hürde bei der Umsetzung: Jede Kommune zahlt ein, aber nur die besten Projekte erhalten den Zuschlag. Warum sollten Kommunen freiwillig in einen gemeinsamen Fonds einzahlen für ein Projekt, dessen Ausgang ungewiss ist?

Die teilnehmenden Gemeinden simulierten in zwei Planspielen den Prozess von der Antragstellung bis zum Förderzuschlag. Bürgermeister:innen, Stadträte, Kreistagsmitglieder – alle Beteiligten schlüpften für jeweils zwei Tage in unterschiedliche Rollen, um zu erleben, unter welchen Bedingungen ein solches Fondsmodell funktionieren kann.

Das Planspiel: ein geeignetes Instrument der Transformationspolitik?

In anderen Bereichen werden Planspiele schon lange als Instrument eingesetzt: so in der politischen Bildung oder um die Gründung eines Unternehmens zu simulieren. Kommunen nutzen das Instrument bisher selten. Es bietet Potenzial, um Koproduktionen zwischen kommunalen und zivilgesellschaftlichen Akteur:innen zu initiieren. Dies ist besonders für eine integrierte nachhaltige Stadtentwicklung interessant. Planspiele haben den Vorteil, dass sie den Teilnehmenden direkte Erfahrungen vermitteln, weil sie für eine gewisse Zeit in einem geschützten Raum das Instrument erproben und gemeinsam mit anderen Akteur:innen daraus Schlussfolgerungen ableiten können. Die Simulation kann Langzeiteffekte durch Zeitraffer erfahrbar machen und spart Geld.

Die Übertragbarkeit von Planspielen auf reale Situationen wird häufig in Frage gestellt, denn sie ist nicht nur von der Konzeption des Spiels abhängig, sondern auch vom politischen, institutionellen und wirtschaftlichen Kontext. Außerdem werden Planung, Durchführung und Auswertung als sehr aufwändig eingeschätzt. Ob das Planspiel also ein geeignetes Instrument der Transformationspolitik ist, hängt stark vom jeweiligen Kontext ab. Für die 47 Gemeinden der Landkreise Nienburg/Weser und Gifhorn war es ein Erfolg: Seit 2020 werden dort die ersten Projekte aus dem kommunalen Innenentwicklungsfonds gefördert.

Für das Deutsch-Französische Zukunftswerk sind die 47 Gemeinden der Landkreise Nienburg/Weser und Gifhorn ein inspirierendes Beispiel für eine gelungene Lösung, wie sich Kommunen neue Handlungsmöglichkeiten erschließen. „Jedes Planspiel lebt davon, die relevanten Akteur:innen zu identifizieren und einzubinden“, fasst Dario Gödecke von der Georg-August-Universität Göttingen zusammen. „Erst dadurch entsteht die Dynamik in den Veränderungsprozessen.“ Und wer weiß, vielleicht findet bald das erste Planspiel in einer deutsch-französischen Klimapartnerschaft Anwendung.