Weniger verbrauchen – besser leben?
„Jeden Tag wird in Deutschland eine durchschnittliche Fläche von über 50 Hektar, sprich 70 Fußballfeldern, neu versiegelt“, stellte Michaela Christ zu Beginn ihrer Ansprachefest. Trotz zahlreicher Aufrufe, dieZersiedelungsdynamiken zu bremsen, nimmt der Flächenverbrauch von Städten weiterhin zu. Das Ausweisen von Neubauten am Stadtrand und der unverhältnismäßig große Anteil des motorisierten Individualverkehrs (MIV) imöffentlichen Raum sind zwei Beispiele für solchen Flächenfraß. Dabei haben Städte, lautMichaela Christ, durchaus bereits Möglichkeiten aus diesem Kreislaufauszubrechen und ihre baulichen Maßnahmen im Sinne der Suffizienz zu gestalten.
Voraussetzung dafür ist, die Raumplanung an die realen Bedürfnisse der Bevölkerung anzupassen und nicht an die Art und Weise, wie diese bisher erfüllt wurden: Anstatt beispielsweise die Stadt systematisch um den MIV herum zu planen, müssen andere Wege gefunden werden, den Bedarf nach einer bequemen, schnellen und flexiblen Mobilität zu decken.
Dieser bedürfnisorientierte Ansatz weist Ähnlichkeiten mit dem Konzept der „Donut-Ökonomie“ auf, so eine Teilnehmerin der Transformationsküche. Denn die Donut-Ökonomie versucht, statt Wachstumszwang das Gleichgewicht zwischen grundlegenden sozialen Bedürfnissen und den sogenannten „planetaren Grenzen“ in den Mittelpunkt zu rücken. Ursprünglich von der britischen Ökonomin Kate Raworth entwickelt, sei das Konzept mittlerweile beispielsweise von der Stadt Amsterdam aufgegriffen worden.
Außerdemkam die Frage auf, wie Flächensuffizienz erreicht werden könne, wenn Kommunen durch bestehende finanzielle und politische Rahmenbedingungen weiterhin dazu angehalten werden, auf Zersiedelung zu setzen. Laut Michaela Christ sei es tatsächlich der Fall, dass zahlreiche staatliche Subventionen das Bestehen von flächenintensiven Stadtplanungsmodellen fördern und festigen. Das Umweltbundesamt hat diese in einer ausführlichen Publikation („Umweltschädliche Subventionen in Deutschland“) aufgeführt.
Michaela Christ betonte jedoch auch, dass Kommunen bereits über ausreichend Spielraum verfügen, um sich von bestehenden Paradigmen zu lösen. Sie können positive Anreize für umweltfreundlicheres Verhalten mit sogenannten Pull-Maßnahmen schaffen, wie z.B. durch die Verbesserung nachhaltiger Verkehrskonzepte, die mit negativen Anreizen zur Abkehr von ressourcenintensiven Verhaltensweisen einhergehen sollten – den sogenannten Push-Maßnahmen, wie z.B. der Einschränkung des Verkehrs in bestimmten Vierteln oder dem Rückbau von Parkplätzen.
Diese Suffizienzmaßnahmen müssen gegenüber der Bevölkerung und den lokalen Akteur:innen klar kommuniziert und gerechtfertigt werden. Es müssen dafür, so eine weitere Teilnehmerin, Kommunikationsmaßnahmen eingeleitet werden, um sogenannte „Co-Benefits“ von Suffizienz hervorzuheben, indem „aufgezeigt wird, dass Suffizienz nicht nur eine Frage von Verzicht ist, sondern auch zu erheblichem Freiheitsgewinn führt, wie z.B. verbesserter Lebensqualität, sauberer Luft, Grünflächen, ...“.
Um Suffizienz sowohl für die Bevölkerung als auch für politische Entscheidungsträger:innen attraktiv zu machen, müssen Kommunen, die Pionierarbeit leisten, ihre Best Practices auch sichtbar machen – denn das ist eine der Aufgaben des Zukunftswerks! Das Thema Suffizienz steht im Mittelpunkt unserer Erforschung kommunaler Lösungsansätze für eine nachhaltige Stadtentwicklung: Suffizienz, wie sieht das aus?
Mehr erfahren
- Mehr zur Forschung von Dr. Michaela Christ zu “Entwicklungschancen & -hemmnisse einer suffizienzorientierten Stadtentwicklung" finden Sie hier: Wie wird weniger genug? Suffizienz als Strategie für eine nachhaltige Stadtentwicklung (2021).
- Wie kann die Donut-Ökonomie in kommunalen Strategien genutzt werden? Eine Publikation des Deutschen Instituts für Urbanistik (difu) beschäftigt sich mit dieser Frage: Die Donut-Ökonomie als strategischer Kompass (2022).
Die Transformationsküche
Gute Gespräche und neue Ideen kommen oft außerhalb von klassischen, durchstrukturierten Meetings zustande – zum Beispiel an der Kaffeemaschine oder in der Mittagspause. Mit der Transformationsküche möchten wir einen Raum öffnen, um uns ähnlich wie beim ungezwungenen Plaudern in der Kaffeeküche zu Fragen aus dem Themenkomplex „nachhaltige Stadtentwicklung“ auszutauschen.
Die Transformationsküche findet in der Mittagspause statt: allen Teilnehmenden ist es explizit gestattet, während der Veranstaltung zu essen. Wer mag, kann gerne das Büro verlassen und sich aus der Küche zuschalten.
Die Transformationsküche ist ein kurzes, entspanntes Diskussionsformat: Wir treffen uns nur für eine knappe Stunde - genug, um Appetit auf Mehr zu bekommen!