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Suffizienz: Was ist das eigentlich und wie funktioniert das?

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La sobriété ou Suffizienz en allemand devient une priorité pour les villes
Légende
Innenstadthektik.
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„Sobriété, eine Idee auf Wachstumskurs“, titelte die französische Tageszeitung Libération im Sommer 2020. In Frankreich hat der Begriff der sobriété (Suffizienz, wörtlich = „Nüchternheit“) in der öffentlichen Debatte zunehmend an Bedeutung gewonnen.
Date de publication / Veröffentlichungsdatum
Marion Davenas
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Während er früher spirituellen Gruppen oder aktivistischen Kritiker:innen der Konsumgesellschaft vorbehalten war, wird er heute immer häufiger in politischen Kreisen verwendet – etwa, als Staatspräsident Emmanuel Macron am 14. Juli 2022 die Bevölkerung dazu aufforderte, „gemeinsam den Weg der sobriété einzuschlagen“, um der Gefahr von Versorgungsengpässen durch den Ukraine-Krieg vorzubeugen.

Der entsprechende Begriff der Suffizienz ist im deutschsprachigen Raum noch weitgehend auf akademische und umweltaktivistische Kreise beschränkt. Allerdings greifen immer mehr Publikationen dieses Konzept auf, um den Ressourcenverbrauch im Hinblick auf unsere Bedürfnisse zu hinterfragen. Ohne explizit das Label „Suffizienz" zu tragen, gehen in Deutschland zahlreiche politische Aussagen und Maßnahmen in der letzten Zeit in eine ähnliche Richtung.

Als nüchternes Gegenmodell zur ébriété (wörtlich: Rausch) versteht sich sobriété als Reaktion auf die übermäßige Wegwerfgesellschaft. „Weder Mangel noch Übermaß – Befürworter:innen der Suffizienz stellen unsere Lebensweise in Frage, indem sie zwischen Nützlichem und Überflüssigem unterscheiden. Durch diese Suche nach einem Gleichgewicht zwischen Bedürfnissen und Luxus trägt der Gedanke der Suffizienz auch immer die Forderung nach sozialer Gerechtigkeit in sich. Denn Mäßigung kann nur von denjenigen verlangt werden, die zu viel konsumieren – für die anderen müssen die Bedingungen eines „guten Lebens“ erst erfüllt werden.

Der Gedanke der Suffizienz lädt somit zu einer Auseinandersetzung mit unseren Bedürfnissen ein und fordert dazu auf, den sozialen Nutzen jeglichen Ressourcenverbrauchs zu hinterfragen. Dieser Ansatz ist nicht nur den Handlungen des Einzelnen vorbehalten, sondern muss zwangsläufig auf einer kollektiven Ebene stattfinden. Es liegt in der Verantwortung politischer Institutionen, neben den Forderungen des individuellen Handelns auch die strukturellen Bedingungen für einen ressourcenschonenden Lebensstil zu schaffen.

Viele französische und deutsche Kommunen haben das bereits erkannt und ergreifen konkrete Maßnahmen, um den Ressourcenverbrauch zu reduzieren und suffiziente Verhaltensweisen der Einwohner:innen zu fördern. So hat die Stadt Lyon beispielsweise im Juni 2022 ein Verbot von Werbebannern, nächtlicher Schaufensterbeleuchtung sowie Werbung in der Nähe von Schulen beschlossen. Die Gemeinde Hiddenhausen wiederum subventioniert den Kauf und die Renovierung von Häusern, um weiterer Zersiedelung durch Neubau entgegenzuwirken.

Ähnlich wie in diesen beiden Beispielen gehen viele Kommunen in Bereichen wie Mobilität, Energie, Liegenschaften oder Wohnungsbau neue Wege. Welche Lösungsansätze verfolgen sie, um die Transformation hin zu einer nachhaltigeren Stadtentwicklung einzuleiten? Mit welchen Hindernissen sehen sich die Kommunen dabei konfrontiert? Und wie sieht kommunale Suffizienzpolitik konkret aus? Das Deutsch-Französische Zukunftswerk erforscht diese Fragen derzeit gemeinsam mit lokalen Akteuren aus nächster Nähe.

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  • Am 29. Juni war die Soziologin Dr. Michaela Christ zu Gast bei Transformationsküche des Zukunftswerks, um über Handlungsspielräume kommunaler Suffizienzpolitik zu diskutieren.
  • Am 13. und 14. Oktober wurde deutschen und französischen Kommunen die Möglichkeit geboten, sich über ihre Suffizienzpraktiken in der Stadtplanung auszutauschen und voneinander zu lernen. Der Fokus lag dabei auf dem Thema Wohnungsbau.
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Portrait Marion Davenas
Marion Davenas

Marion Davenas ist seit Januar 2021 wissenschaftliche Mitarbeiterin beim Deutsch-Französischen Zukunftswerk. Sie hat Politikwissenschaften an der Sciences Po Paris und an der Freien Universität Berlin studiert. Ihr Schwerpunkt lag dabei auf Postkolonialismus, Rassismuskritik und kritisches Weißsein. Vor ihrer Tätigkeit für das Zukunftswerk arbeitete sie sieben Jahre für zivilgesellschaftliche Organisationen im Bereich der diskriminierungskritischen Bildung. Seit 2019 ist sie zertifizierte Mediatorin. Im Deutsch-Französischen Zukunftswerk liegt ein Schwerpunkt ihrer Arbeit auf der Konzeption und Moderation von Dialogveranstaltungen mit und für Akteur:innen der sozial-ökologischen Transformation. Sie begleitet und unterstützt kollaborative und ko-kreative Prozesse und setzt interaktive und partizipative Methoden ein, um Räume für Dialog, Austausch und gegenseitiges Lernen zu schaffen.

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