Starke Stimmen zur Zukunft der Energiewende

Von Stephanie Hesse und Dr. Julia Plessing
Übersetzt ins Französische von Stéphanie-Fabienne Lacombe
Viele Ampeln stehen in Deutschland und Frankreich für die Energiewende auf Grün. Doch obgleich der Handlungsdruck steigt, werden die gesellschaftlichen Bedingungen dafür zunehmend schwieriger, so Linda von Faber, Mitautorin der Ende 2024 erschienenen Studie „Der sozial-ökologische Klassenkonflikt“. Denn die Gruppe der Menschen, die sich sozial-ökologisch engagieren, schrumpft, während die konservativ-wachstumsorientierten Kräfte zunehmen und sich vom Klimaschutz abwenden. Gleichzeitig fühlt sich fast ein Drittel der deutschen Gesellschaft von der Politik abgehängt und verbindet die Energiewende vor allem mit Angst um steigende Lebenshaltungskosten.
Kommunen am Ruder der Energiewende
Zusammen mit Bürgermeister:innen aus Deutschland und Frankreich saß von Faber auf dem Eingangspodium der Zukunftskonferenz des Deutsch-Französischen Zukunftswerks am 20. Mai in Berlin. Über 30 Speaker:innen und 150 Gäste diskutierten im Tagungswerk in Kreuzberg die Rolle von Kommunen in der Energiewende, ihre Herausforderungen und Lösungsansätze. Mit auf dem Podium saß Patrick Barbier, Bürgermeister der elsässischen Gemeinde Muttersholtz, und betont die Verantwortung lokaler Akteure:

Ähnlich sahen das weitere Speaker:innen von beiden Seiten des Rheins und zeigten auf, wie praktikable und integrative Lösungen die Energiewende auf kommunaler Ebene voranbringen können. So nimmt in Frankreich Energy Sharing, also die gemeinsame nachbarschaftliche Stromerzeugung und Verteilung, an Fahrt auf. In Deutschland bringen mehrere Bundesländer Gesetzgebungen für eine stärkere finanzielle Beteiligung von Kommunen und Bürger:innen an der erneuerbaren Stromerzeugung auf den Weg. Schleswig- Holstein hat es vorgemacht. Dort verdienen Bürger:innen bereits seit vielen Jahren an der Windkraft mit. Rainer Hinrichs-Rahlwes, EU-Beauftragter im Vorstand des Bundesverbands Erneuerbare Energie, bringt es auf den Punkt:
Es geht jedoch auch um die kleinen Schritte. Darin sind sich Michael Knape, Bürgermeister von Treuenbrietzen und Bertram Fleck, Landrat a.D. des Landkreises Hunsrück - beides Vorreiterkommunen in der Erzeugung erneuerbarer Energien - einig. Es braucht, so betonen beide, von Beginn an eine offene beteiligungsorientierte Politik: die erste Sitzung zur Planung neuer Windräder darf nicht hinter verschlossenen Türen stattfinden. Gleichzeitig braucht es Transparenz, Information und kleine aber stetige Schritte, bei denen die lokale Bevölkerung mitgehen kann.
Kommunen brauchen verlässliche Rahmenbedingungen
Bei aller guter lokaler Praxis wurden in Berlin zwei zentrale Punkte deutlich, die auch die nationale Politik in die Verantwortung nehmen. Einerseits brauchen Kommunen, um ihrem Auftrag gerecht zu werden, verlässliche Rahmenbedingungen. Suzanne Brolly, stellvertretende Bürgermeisterin aus Straßburg, macht deutlich, dass diese bisher fehlen:
Ganz ähnlich sieht das Anita Schneider, Landrätin des Landkreises Gießen. Sie fordert eine stärkere Verlässlichkeit der Förderprogramme, die nicht zu spezifisch sein sollten, ganz nach dem Vorbild des ehemaligen KFW Programms 432 zur integrierten Quartiersentwicklung. Denn, so Schneider: „Erst dann können wir richtige Beteiligung machen.“
Klimawandel und soziale Ungleichheit gemeinsam angehen
Der zweite zentrale Punkt, der auf den Podien und in den Workshops immer wieder betont wurde: Die Energiewende und ihre Lösungen stehen im Kontext nicht nur klimatischer Herausforderungen, sondern ebenso immer ungleicher werdender Gesellschaften. Nur wenn diese Herausforderungen zusammen gedacht werden, können wir die Energiewende voranbringen ohne die Demokratie zu gefährden. So betont Ulrike Röhr, Expertin für gendergerechte Klimapolitik, dass oftmals immer noch technologische Lösungen bevorzugt werden, die unterschiedliche Betroffenheiten von Männern und Frauen nicht berücksichtigen. Doch technologische Lösungen, so wichtig sie sind, reichen bei Weitem nicht aus.

Dies wurde besonders deutlich auf dem Podium und im Workshop zum Thema Energiesuffizienz. Ein Szenario von 26 europäischen Forschungseinrichtungen prognostiziert, dass Suffizienzmaßnahmen das Potenzial haben, die Hälfte der bis 2050 nötigen Energieeinsparungen zu ermöglichen. Wichtig dabei: Die Verantwortung kann nicht nur auf die Bürger:innen abgeschoben werden.
Es braucht strukturelle Maßnahmen, damit eine höhere Lebensqualität für alle erreicht wird und nicht die, die bereits zu wenig haben, noch mehr Abstriche machen müssen. In Deutschland ist das Thema Suffizienz – französisch Sobriété – noch ein blinder Fleck, während es in Frankreich im offiziellen politischen Diskurs angekommen ist. Doch auch dort, so Fabien Baudelet, Referent für Europapolitik beim Thinktank Négawatt, „sind wir zurück in einem Narrativ des energetischen Überflusses. Dieser Mythos – denn nichts anderes ist er – stellt das größte Hemmnis für die Verbreitung von Energiesuffizienz dar.“

Eine breite Koalition für die Transformation?
Um die Konferenz an diesem sonnigen Tag zu beschließen, diskutierten die Abgeordneten des Deutschen Bundestags Andreas Jung (CDU/CSU) und Dr. Sandra Detzer (Bündnis 90/Die Grünen) mit Brigitte Klinkert, Abgeordnete des Haut-Rhin und Co-Vorsitzenden des Vorstands der Deutsch-Französischen Parlamentarischen Versammlung, den großen, politischen Rahmen in beiden Ländern. Der Eindruck bleibt: Über die Ziele zur Klimaneutralität und Energiewende sind sich die deutsche und französische Regierung sowohl nach innen als auch in ihren diplomatischen Beziehungen grundsätzlich einig. Wie die Umsetzung aussehen und wie schnell sie erfolgen soll, da gehen die Vorstellungen auseinander, auch innerhalb des Deutschen Bundestags. Daher braucht es nach wie vor in beiden Ländern eine starke sektor- und ebenenübergreifende Koalition aus Kommunen, Wissenschaftler:innen und Expert:innen, die sich für eine lokale und soziale Energiewende stark macht.
Die Zukunftskonferenz in Bildern








