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„Fördermittel müssen auf effiziente Renovierungen ausgerichtet sein“

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Etienne Charbit
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Étienne Charbit, Projektleiter für europäische Zusammenarbeit beim Netzwerk Cler | Foto: Étienne Charbit
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Einkommensschwachen Haushalten den Zugang zu Beratungs- und Fördermöglichkeiten bei der energetischen Sanierung zu erleichtern, kann Energiearmut bekämpfen und die Energiewende beschleunigen. Etienne Charbit vom französischen Verband Cler reagiert auf die Handlungsempfehlungen des Zukunftswerks.
Date de publication / Veröffentlichungsdatum
21.04.2025
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Gastbeitrag von Etienne Charbit auf Initiative von Arthur Frantz
Aus dem Französischen übersetzt von Annette Kulzer
 

Energetische Sanierungen – für mehr Klimaschutz und soziale Gerechtigkeit

In Deutschland wie auch in Frankreich führt der Anstieg der Energiepreise zunehmend zu einer Ausweitung der Energiearmut. Im Jahr 2024 waren in Frankreich 10,8Prozent der Bevölkerung davon betroffen (Quelle: onpe.org). Eine zentrale Maßnahme zur Bekämpfung von Energiearmut stellt die energetische Sanierung von Gebäuden dar. Der Zugang zu entsprechenden Sanierungsmaßnahmen ist jedoch insbesondere für Haushalte mit geringem Einkommen oftmals erschwert, da sie mit hohen Kosten und komplexen Verfahren verbunden sind.

Für das Deutsch-Französische Zukunftswerk bildet soziale Gerechtigkeit eine wichtige Säule zur Beschleunigung der Energiewende. Vor diesem Hintergrund wurde eine Handlungsempfehlung für eine sozial gerechte energetische Sanierung entwickelt, die sich an die Regierungen beider Länder richtet. Ziel ist es, praxisorientierte Wege aufzuzeigen, wie eine umfassendere Unterstützung von Sanierungswilligen ermöglicht und innovative sowie gerechte Finanzierungsmodelle bereitgestellt werden können.

Das französische Netzwerk Cler – Réseau pour la transition énergétique, ein Zusammenschluss von knapp 300 Organisationen, engagiert sich für eine ambitionierte und sozial gerechte Energiewende. Etienne Charbit, Projektleiter für europäische Zusammenarbeit bei Cler, begrüßt die Empfehlungen des Zukunftswerks und unterstreicht ihre Übereinstimmung mit der Position seines Netzwerks hinsichtlich einer effektiven und solidarischen Sanierungspolitik:

Témoignage / Text
„Der Status als öffentlicher Dienst gewährleistet, dass im Staatshaushalt Mittel für die Sanierung bereitgestellt werden.“
Texte / Text

Die Handlungsempfehlung ‚Energetische Sanierung sozial gerecht durchführen‘ entspricht genau dem Ansatz, den wir auch im Netzwerk Cler vertreten. Seit rund zwei Jahrzehnten zeigt sich in Frankreich, dass eine strukturierte Begleitung entscheidend für den Erfolg von Sanierungsprojekten ist. Deshalb ist es wichtig, zentrale Anlaufstellen für Interessierte zu schaffen. Die französischen Beratungsstellen von France Rénov‘ könnten für Deutschland als Vorbild dienen. Diese Zentren sind Teil eines umfassenderen öffentlichen Dienstleistungsrahmens im Bereich der Gebäudesanierung. Dieser Status als öffentlicher Dienst gewährleistet, dass im jährlichen Staatshaushalt Mittel für die Sanierung bereitgestellt werden, was eine langjährige Forderung unsererseits war.

Systematische Unterstützung und innovative Finanzierungsmodelle

Die Empfehlung hebt auch die Bedeutung einer umfassenden Begleitung hervor und betont das Potenzial sogenannter Drittfinanzierungsgesellschaften. Dieses Modell ist bislang noch wenig verbreitet, bietet jedoch vielversprechende Ansätze. Wir von Cler plädieren dafür, dass eine qualifizierte technische Begleitung – insbesondere bei staatlich geförderten Sanierungen – verpflichtend wird. Dies ist auch das Ziel des Programms Mon Accompagnateur Rénov, das im Jahr 2024 eingeführt wurde. Solche Ansätze könnten auch in Deutschland dazu beitragen, zentrale Beratungsstellen auf nationaler Ebene zu etablieren – ganz im Einklang mit der im Jahr 2024 überarbeiteten EU-Richtlinie zur Gesamtenergieeffizienz von Gebäuden.

Soziale Ausgewogenheit in der Förderung

Im Hinblick auf die soziale Dimension der Finanzierung verweist die Handlungsempfehlung auf die progressive Struktur der Fördermaßnahme MaPrimeRénov’ (MPR), die einkommensabhängige Zuschüsse vorsieht. Haushalte mit geringem Einkommen erhalten die höchsten Förderquoten ­– sie stellen nahezu drei Viertel der Begünstigten dar (Quelle: particulier.hellio.com). Für diese Gruppen sieht die Agence nationale de l’habitat (Anah) zudem Vorschusszahlungen vor – auch, wenn die aktuellen Haushaltskürzungen den Umfang und damit den Wirkungsgrad der Förderung verringert haben.

Aus unserer Sicht bei Cler sollte die Förderung gezielt auf besonders effiziente Sanierungen ausgerichtet sein, wobei die verbleibenden Eigenkosten für einkommensschwache Haushalte gegen Null tendieren sollten. Ein Problem stellt aktuell die Kopplung der Fördermittel mit Energieeinsparzertifikaten dar, die häufig ineffiziente Sanierungen begünstigen. In Deutschland hat die KfW kürzlich ein spezielles Förderprogramm für hocheffiziente Sanierungen eingeführt, das auch die sozialen Aspekte berücksichtigt – etwa durch sogenannte „palliative“ Maßnahmen. In diesem Zusammenhang hebt Cler die Bedeutung standardisierter Energiechecks hervor und spricht sich für eine Verdreifachung dieser Maßnahmen aus.

Regulierung als zentraler Hebel

Neben finanziellen und beratenden Instrumenten kommt auch regulatorischen Maßnahmen eine zentrale Bedeutung für die französische Sanierungspolitik zu. So unterstützt Cler den gesetzlich verankerten Fahrplan zum Vermietungsverbot besonders ineffizienter Gebäude (worst performing buildings). Diese Maßnahme schafft insbesondere für Mieter:innen, die direkt von fehlendem Wohnkomfort und steigenden Energiepreisen betroffen sind, aber wenig eigene Handlungsspielräume haben, einen wichtigen Schutzmechanismus. Gegen energieintensive Gebäude vorzugehen, ist ein entscheidender Hebel, um ökologische und soziale Vorteile zu maximieren. Die Kommunen können eine Rolle bei der Durchsetzung dieser Verpflichtungen spielen, insbesondere durch das Instrument der Mietgenehmigung. In diesem Zusammenhang wird die Herausforderung energetischer Sanierungen nicht nur als klimapolitisches, sondern auch als wohnungspolitisches Anliegen verstanden. Ideal wäre dabei eine Kopplung des Vermietungsverbots mit einer verpflichtenden energetischen Sanierung nach Effizienzstandards.

Etienne Charbit

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Über Etienne Charbit

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Etienne Charbit ist Projektleiter für europäische Zusammenarbeit beim französischen Netzwerk Cler – Réseau pour la transition énergétique.

Cler ist ein national agierendes Netzwerk, dem nahezu 300 Akteure angehören. Gemeinsam verfolgen sie das Ziel, eine ambitionierte und sozial gerechte Energiewende voranzutreiben. Der Schwerpunkt ihrer Arbeit liegt in der Beschleunigung der ökologischen Transformation auf lokaler, nationaler und europäischer Ebene.