„Die Förderprogramme für energetische Sanierungen müssen stabil bleiben“
Interview auf Französisch von Arthur Frantz
Ins Deutsche übersetzt von Annette Kulzer
Jonathan, du bist zum ersten Mal in Chemnitz. Was sind deine ersten Eindrücke von der Stadt?
Was mir hier ganz spontan auffällt – genauso wie in anderen deutschen Orten, die ich besucht habe – ist, dass sich das deutsche Baukulturerbe stark vom französischen unterscheidet. Einige französische Besonderheiten, wie vor allem sehr alte Bausubstanz in den Stadtzentren, findet man in Deutschland seltener. Ich habe den Eindruck, dass es hier eine größere Homogenität gibt, die vielleicht eher dazu geeignet ist, massentaugliche Lösungen für die energetische Sanierung zu entwickeln.
Die Herausforderungen sind also unterschiedlich. Die Sanierungsziele in Frankreich und Deutschland sind jedoch ähnlich: Frankreich will bis 2050 einen klimaneutralen Gebäudebestand erreichen. Hältst du das für machbar?
So würde ich die Frage nicht stellen. Die zentrale Frage ist doch, was passiert, wenn wir diese Ziele nicht erreichen. Primär geht es doch um das Ausmaß des Klimawandels und seine Folgen für die Klimaanpassung, wenn die Länder den Kurs des Pariser Abkommens nicht einhalten.
Der andere Punkt, über den weniger gesprochen wird, ist das Problem der Energieversorgung. Die jüngsten internationalen Entwicklungen haben gezeigt, dass der Zugang zu fossilen Brennstoffen immer komplexer, knapper und teurer werden wird. Das wiederum wirft die soziale Frage der Energieprekarität auf: Wenn energetische Sanierungen nicht massiv vorangetrieben werden, wie sollen die Menschen dann heizen?
Während der Treffen in den deutsch-französischen Resonanzräumen des Zukunftswerks hast du dich mit anderen Expert:innen ausgetauscht. Es ging unter anderem darum, wie die energetische Gebäudesanierung am besten beschleunigt werden kann, ohne Haushalte mit geringem Einkommen zu benachteiligen. Diese soziale Dimension ist ein starkes Element unserer Handlungsempfehlungen an die Regierungen der beiden Länder. Wo stellst du Unterschiede zwischen dem deutschen und dem französischen Ansatz fest?
Auf der französischen Seite sind die Regelungen sehr stark auf die am stärksten von Energieprekarität gefährdeten Bevölkerungsgruppen ausgerichtet. Das war seit Beginn der Sanierungsförderung der Fall und hat sich im Laufe der Zeit noch verstärkt, vielleicht sogar zu sehr verstärkt: Wohlhabendere Haushalte, die eher in der Lage waren, umfassende Renovierungen in Angriff zu nehmen, wurden nur sehr wenig unterstützt. Mit der Neufassung der Förderung von MaPrimeRénov', die 2024 in Kraft getreten ist, wurde hier ein Ausgleich geschaffen.
Im Gegensatz zu Deutschland, wo Anreize für vermietende Eigentümer:innen bestehen, sind die französischen Anreizsysteme weniger spezifisch auf Eigentümer:innen ausgerichtet, die ihre Immobilie vermieten. Vielmehr sind sie von gesetzlichen Verboten betroffen [Anm. d. Red.: Vermietung von Wohnungen in Gebäuden mit der schlechtesten Energieeffizienzklasse].
Der Mangel an Finanzierungen ist ein großes Hindernis für die Verbreitung energetischer Sanierungen. Als Koordinator für Innovationsthemen bei der französischen Umweltagentur ADEME arbeitest du daran, dieses Hindernis zu beseitigen. Kannst du uns mehr darüber erzählen?
Ich habe zuvor an der Einrichtung eines öffentlichen Dienstes für energetische Sanierungen gearbeitet, dessen Aufgabe es ist, Hausbesitzer:innen bei ihren Vorhaben zu unterstützen. Die ADEME war Pionier in diesem Bereich, bevor 2019 eine Ausweitung des öffentlichen Fördersystems für Sanierungen mit erheblichen finanziellen Mitteln erfolgte. Auch hier gibt es einen Unterschied zu Deutschland: Die öffentliche Politik in Frankreich stützt sich stark auf nationale Vorkehrungen und das Konzept des öffentlichen Dienstes, was insbesondere für Fragen der Neutralität, Gleichheit und Unabhängigkeit von entscheidender Bedeutung ist. In Deutschland scheint die Rolle des Privatsektors wichtiger zu sein.
Ich arbeite nun daran, gerade den Privatsektor zu mobilisieren, um ihn bei der Schaffung integrierter Angebote zu begleiten. Das ist das Ziel des Projektaufrufs ORENO, der mit dem Innovationsfonds France 2030 ins Leben gerufen wurde. Die Gewinner sind Konsortien, die alle Kompetenzen der energetischen Sanierung von der Planung bis zur Finanzierung integrieren. Konkret bieten diese den Haushalten und Eigentümergemeinschaften eine umfassende Betreuung und einen Kostenvorschuss für die anfallenden Arbeiten.
Also könnte das ein Hebel sein, um Sanierungen trotz angespannter Haushaltslage in beiden Ländern zu finanzieren?
Genau. Sanierung ist ein komplexer Markt mit vielen Beteiligten. Um den Markt anzukurbeln und Sanierung zu massifizieren – das ist von erheblicher Bedeutung, um die politischen Ziele zu erreichen – braucht es Zuschüsse. Dennoch muss ein Gleichgewicht gefunden werden, indem wir massivere private Finanzierungen mobilisieren.
Welche Aspekte der Sanierungspolitik sind dir in der neuen politischen und budgetären Periode besonders wichtig?
Die Förderprogramme für die energetische Sanierung müssen stabil bleiben. Es handelt sich um eine langfristige Politik, bei der viele Akteure eingebunden werden müssen. Die geringste Schwankung in den Maßnahmen kann Haushalte und Unternehmen entmutigen.
Ich möchte betonen, dass die öffentlichen Ausgaben für energetische Sanierungen einen enormen Nutzen bringen. Ein Euro, der in Subventionen investiert wird, führt zu Baumaßnahmen, Mehrwertsteuereinnahmen, Sozialversicherungsbeiträgen, wirtschaftlicher Aktivität und BIP – was in einer Zeit, in der der Bausektor in einer schweren Krise steckt, von entscheidender Bedeutung ist.
Vielen Dank für das Gespräch!
Über Jonathan
Jonathan Louis ist seit sechzehn Jahren Bauingenieur und seit 2012 bei der ADEME für die Koordination der Akteure im Bausektor zuständig. Er ist verantwortlich für die Strategie Ville durable et bâtiments innovants („Nachhaltige Stadt und innovative Gebäude") des Programms France 2030. Jonathan Louis steuert unter anderem Studien zur Messung der Gesamtenergieeffizienz und zu den Bedingungen für eine erfolgreiche energetische Sanierung.
ADEME – Worum geht's?
Die französische Umweltagentur Agence de la transition écologique (ADEME) ist in Frankreich ein Hauptakteur bei der Förderung des ökologischen Wandels. Sie begleitet Regionen, Bürger:innen und Wirtschaftsakteure bei der Umsetzung nachhaltiger Lösungen, indem sie finanzielle Unterstützung und Fachwissen bereitstellt. Sie beteiligt sich auch an der Ausarbeitung der französischen Klimastrategien durch Zukunftsszenarien und Forschung zu Innovationsthemen.