Type d'actualité / Nachricht typ
Porträts

Informieren, sensibilisieren, Synergien schaffen: ein dreigliedriger Ansatz zur Beschleunigung des ökologischen Wandels im Bausektor

État / Zustand
Paris | Stéphanie Obadia im Gespräch
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Stéphanie Obadia
Légende
Stéphanie Obadia, seit fast zwanzig Jahren als Journalistin im Bereich nachhaltiges Bauen tätig und seit 2022 Direktorin von Construction21.
Accroche / Aufhänger
Stéphanie Obadia ist seit fast zwanzig Jahren als Journalistin im Bereich nachhaltiges Bauen tätig und seit 2022 Direktorin von Construction21. Das Medienunternehmen für nachhaltiges Bauwesen und Stadtentwicklung informiert und vernetzt Fachleute aus diesen beiden Bereichen.
Date de publication / Veröffentlichungsdatum
12.09.2023
Contenu / Inhalt
Texte / Text

Interview auf Französisch geführt von Sarah Bronsard
Übersetzung ins Deutsche von Annette Kulzer

 

Frau Obadia, Sie sind gelernte Journalistin. Was hat Sie dazu bewogen, sich mit Themen des nachhaltigen Bauens zu beschäftigen?

Mein Engagement für unsere Umwelt wuchs ganz von selbst. Ich habe zeitnah die Chefredaktion von Fachzeitschriften für die Holzindustrie übernommen, eine Branche, die mich besonders interessierte. Daher haben mich die Herausforderungen, die mit dem Bauwesen zu tun hatten, schnell fasziniert; denn es war damals schon ein Sektor, der sich im Wandel befand. Vor mehr als 15 Jahren war der Holzbau noch eine Randerscheinung, entwickelte sich dann aber sehr rasch und mit bemerkenswerten Veränderungen. Deshalb habe ich mich auf die Bereiche Bauwesen und Städtebau spezialisiert, ohne dabei den Umweltaspekt aus den Augen zu verlieren. Als Journalistin will ich informieren, aber in gewisser Weise auch sensibilisieren und Lösungen aufzeigen, die die Weiterentwicklung des Sektors beschleunigen.

Sie haben mit einigen Fachzeitschriften für Bauwesen und Architektur zusammengearbeitet. Welche großen Veränderungen haben Sie bei den Publikationen in Bezug auf den ökologischen Wandel festgestellt? (Hat sich ihr Bezugsrahmen oder ihr Bewusstsein für die Herausforderungen des ökologischen Wandels wesentlich verändert?)

Vor 20 Jahren wurde nachhaltiges Bauen als eine Nebensächlichkeit wahrgenommen, die den sogenannten „Ökos“ vorbehalten war. Es war alles sehr kleinteilig, aber das Bewusstsein wuchs mit der Zeit.
Es war vor allem ein ökologisches Bewusstsein: Die verschiedenen Akteure wollten zum Erhalt der Umwelt beitragen. Zu diesem Wunsch gesellten sich gesetzliche Verpflichtungen: Frankreich ist in diesem Bereich ein echter Vorreiter, z. B. mit der Umsetzung der Umweltvorschrift RE2020, die 2022 verabschiedet wurde. Das ist eine große Veränderung, denn anstatt sich auf die Wärmeleistung zu konzentrieren, wird jetzt der CO2-Ansatz von Gebäuden berücksichtigt. Ziel ist es, den Kohlenstoffausstoß und den Lebenszyklus von Gebäuden zu reduzieren, indem Anreize für den Einsatz von erneuerbaren Energien und biobasierten Materialien geschaffen werden. RE2020 berücksichtigt auch die klimatischen Bedingungen im Inneren bei großer sommerlicher Hitze, und fördert Energieeinsparungen und -effizienz. Diese Maßnahmen regen Herstellende, Architekt:innen und Ingenieur:innen dazu an, innovative Lösungen zu entwickeln, Holz und biobasierte Materialien zu verwenden, den Produktionszyklus oder die Zusammensetzung bestimmter Materialien zu überprüfen, um deren CO2-Fußabdruck zu verringern (Beton, Stahl, usw.), oder sparsamer zu planen, indem Ressourcen verringert oder die Wiederverwendung gefördert wird. Dieser Wetteifer betrifft alle Sektoren und ist manchmal Teil eines umfassenden Ansatzes eines Viertels oder einer Stadt. Wir versuchen nun, mehr Begrünung zu integrieren, die Lichtverschmutzung zu berücksichtigen, Öko-Viertel zu errichten, etc. Die Regierung hat mutige Maßnahmen ergriffen, die heute als Vorbild dienen, wie das Verbot von Wärmeschutzverglasung bei Vermietungsobjekten oder ein Dekret für den Dienstleistungssektor, um den Energieverbrauch des Gebäudebestands zu senken.

Gibt es heute eine bessere Integration der beteiligten Akteure und eine stärkere Berücksichtigung multidisziplinärer Ansätze?

Ja, wir beobachten eine stärkere Zusammenarbeit zwischen Architekt:innen und Ingenieur:innen. Aber auch Soziolog:innen und Ökolog:innen können hinzugezogen werden, um andere Aspekte wie Begrünung, „Dritte Orte“ (Anm. d. Red.: Orte der Gemeinschaft, die einen Ausgleich zu Familie und Beruf bieten sollen), das Wohlbefinden der Bewohnenden usw. zu berücksichtigen. Man kann nicht auf jedem Themengebiet Spezialist:in sein, aber vor allem die gemeinsame Arbeit zahlt sich aus.

Témoignage / Text
„Architekt:innen und Ingenieur:innen arbeiten gemeinsam an innovativen Lösungen, um den CO2-Fußabdruck von Gebäuden zu verringern, insbesondere durch die Wahl weniger CO2-lastiger Materialien oder durch Wiederverwendung.“
Auteur / Autor
Stéphanie Obadia
Texte / Text

Sie sind im Jahr 2022 Construction21 beigetreten: Wie trägt diese Plattform von Fachleuten aus Bauwesen und nachhaltiger Stadtentwicklung dazu bei, den ökologischen Wandel in diesen Sektoren zu beschleunigen?

Construction21 wurde vor über zehn Jahren gegründet, um der Bauindustrie umweltfreundlichere Lösungen vorzuschlagen. Sie hat sich zwischenzeitlich zu einer echten Gemeinschaft von engagierten Akteur:innen entwickelt, die informieren, sensibilisieren und Synergien schaffen wollen. Wir haben mehrere Plattformen in Europa, darunter eine in Deutschland, eine in China und in Nordafrika. Sie bringen alle Akteur:innen der Branche zusammen: Fachpersonen aus Architektur, Ingenieurswesen, Bauunternehmen, Herstellung, Verbänden und Instituten, die sich für nachhaltiges Bauen einsetzen, Akademiker:innen, Studierende, ... und neuerdings auch Akteur:innen aus Vertrieb und Handel.

Darüber hinaus ist die Plattform Construction21 ein führendes Medium für umweltbewusstes Bauen und nachhaltige Stadtentwicklung, nicht nur in Frankreich, sondern auch auf internationaler Ebene. Wir veröffentlichen Fallstudien, in denen weltweit erprobte Lösungen vorgestellt werden, sowie thematische Dossiers zu Mobilität, Biodiversität, thermische Sanierung usw. Wir erstellen sie in Zusammenarbeit mit unserem Mitgliedernetzwerk.

Sie arbeiten seit April 2023 mit dem Zukunftswerk zusammen. Könnten Sie uns erzählen, was Sie bei der Zusammenarbeit besonders überrascht oder beeindruckt hat?

Die Arbeit des Zukunftswerks bestätigt, dass wir in Frankreich und in Deutschland das gleiche Bewusstsein für zukunftsfähige Städte und den nachhaltigen Umgang mit unserer Umwelt haben.
Wir unterscheiden uns nur in den Mitteln. Diese Unterschiede sind kultureller, politischer und vor allem gesetzlicher Natur: Frankreich agiert stark zentralisiert, während Deutschland auf der Grundlage eines dezentralen Modells arbeitet. Was mich jedoch überrascht und amüsiert hat, ist, dass die Deutschen ausdrücklich eine Bundessteuer einführen und damit zu einem stärker zentralisierten Modell übergehen wollen, während in Frankreich oft von einer Steuersättigung die Rede ist.

Témoignage / Text
„Wenn ich mich für eine Empfehlung entscheiden müsste, dann wäre es die systematische Integration von Grünflächen in die Stadtentwicklung und -sanierung.“
Auteur / Autor
Stéphanie Obadia
Texte / Text

Welche Empfehlungen wären Ihrer Meinung nach besonders sinnvoll, um sie in Frankreich und Deutschland umzusetzen?

Die Diskussionen waren reichhaltig und es kamen viele interessante Lösungen zum Vorschein.
Aber wenn ich mich für eine Empfehlung entscheiden müsste, dann wäre es die systematische Integration von Grünflächen in die Stadtentwicklung und -sanierung. Diese Maßnahme würde die Einführung eines Tools erfordern, das es derzeit noch nicht gibt: Dieses Tool sollte ermöglichen, eine Karte der für Begrünung zur Verfügung stehenden Flächen eines Viertels oder einer Nation mit den Pflanzenarten, die für den gegebenen Raum am besten geeignet sind, übereinander zu legen – und das unter Berücksichtigung des Klimawandels. Das wäre ein wirklich interessantes Diptychon, um die Begrünung der Städte und den Erhalt der Artenvielfalt zu fördern.