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Finanzielle Beteiligung als Hebel der Energiewende

État / Zustand
Windenergie in Bürger:innenhand
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Eine Menschengruppe mit Plakaten steht auf einer Treppe, die zu einem Windrad führt.
Légende
Windparks in den Händen der Bürger:innen – dafür setzt sich auch das Bündnis Bürgerenergie ein, mit dem das Zukunftswerk für seine Handlungsempfehlung im Austausch war. | Foto: Bündnis Bürgerenergie e.V., Jörg Farys
Accroche / Aufhänger
Was haben der französische Gemeindeverband Mauges Communauté (121 600 Einwohner:innen) und die deutschen Gemeinden Hoort und Dassow (600 bzw. 4 000 Einwohner:innen) gemeinsam? Sie alle haben auf Bürgerwindparks gesetzt – jedoch auf ganz unterschiedlichen Wegen. Ihre Erfahrungen zeigen eindrucksvoll, wieviel Potenzial für lokale Wertschöpfung im Ausbau erneuerbarer Energien steckt und warum es dabei auch auf eine förderliche Gesetzgebung ankommt.
Date de publication / Veröffentlichungsdatum
17.02.2025
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Von Robin Denz
Übersetzt ins Französische von Robin Denz

 

Drei Wege zur Windenergie in Bürgerhand

#1 Hoort: Ein Win-Win-Modell für Projektierer und Kommune

Als 2012 Windeignungsgebiete in Mecklenburg-Vorpommern ausgewiesen wurden, erhielt die kleine Gemeinde Hoort zahlreiche Anfragen von Projektentwicklern. Ein Unternehmen stach jedoch heraus: Die Loscon GmbH sprach damals als einzige von Bürgerbeteiligung und bot an, 25 Prozent der Anteile der Projektgesellschaft den umliegenden Gemeinden und Anwohnenden zum Kauf anzubieten.

Dieses Modell überzeugte die engagierte Bürgermeisterin Iris Feldmann. Nach einem langwierigen Genehmigungsverfahren ging der Windpark 2020 in Betrieb. Vier der insgesamt 16 Windräder erwarb die ortsansässige Windpark Hoort 2 GmbH & Co. KG, deren Anteile fast zur Hälfte der Gemeinde Hoort gehören. Die restlichen Anteile halten Bürger:innen aus Hoort und umliegenden Gemeinden sowie der regionale Energieversorger.

Dank dieses Beteiligungsmodells ist der Haushalt der Gemeinde für die nächsten 20 Jahre abgesichert. Die Einnahmen fließen in Projekte wie die Renovierung des Gemeindezentrums oder den Bau einer neuen Kindertagesstätte.

#2 Mauges: Gemeinde und Bürger:innen Hand in Hand

Im französischen Département Maine-et-Loire entstand ein ähnliches Projekt. Nachdem der Entwickler Nordex 2018 die Genehmigung für einen Windpark erhalten hatte, bot er die fünf Windräder zum Verkauf an. Um zu verhindern, dass das Projekt an externe Investoren verkauft wird, mobilisierte der Verein Atout Vent lokale Akteure. Das Ziel: den Windpark aufkaufen um sicherzustellen, dass die Wertschöpfung der Region zugutekommt.

Drei lokale Akteure arbeiteten zusammen, um den Windpark L’Hyrôme zu erwerben: die Bürgergesellschaft SAS Cit’Éole Hyrôme, gegründet von Atout Vent und getragen von 350 Einwohner:innen, der Gemeindeverband Mauges Communauté über seine Tochtergesellschaft SEM Mauges Énergies und das lokale Energieunternehmen SEM Alter Énergies. Hinzu kam der Verein Énergie Partagé, der über seinen Bürgerenergiefonds Énergie Partagée Investissement mit einer Investition von 2 Millionen Euro eine Schlüsselrolle bei der Umsetzung dieses Projekts spielte.

Als zentrale Anlaufstelle für Bürgerenergie in Frankreich hat sich Énergie Partagée zum Ziel gesetzt, Projekte zu initiieren, zu begleiten und finanziell zu unterstützen. Diese Katalysator-Funktion inspirierte auch das Deutsch-Französische Zukunftswerk im Austausch mit Expert:innen eine Handlungsempfehlung an die deutsche Regierung zu formulieren: Angelehnt an das französische Beispiel sollte ein Bundeskompetenzzentrum geschaffen werden, um Bürgerenergieprojekte mit Expertise und finanziellen Mitteln zu unterstützen (siehe Punkt 3 unserer Aktionsvorschläge).

#3 Dassow: Erfolgreiches Beteiligungsgesetz zahlt sich aus

Die Beispiele aus Hoort und Mauges verdeutlichen das Potenzial von Bürgerwindparks für lokale Wertschöpfung. Doch der Erfolg dieser Projekte hing maßgeblich von der Entschlossenheit einer Handvoll engagierter Menschen ab und der Fähigkeit lokaler Akteure, sich gegen externe Investoren durchzusetzen. Angelehnt an den Erfahrungen aus Hoort ist Mecklenburg-Vorpommern einen Schritt weiter gegangen und verabschiedete 2016 als erstes Bundesland ein Beteiligungsgesetz. Dieses Gesetz verpflichtet Anlagenbetreiber, mindestens 20 Prozent der Anteile am Windpark den umliegenden Kommunen und Anwohnenden in einem Radius von fünf Kilometern zum Kauf anzubieten oder ein alternatives Beteiligungsmodell anzubieten.

Ein Beispiel für die Wirksamkeit dieses Gesetzes ist der Windpark Schönberg: Beim Repowering im Jahr 2020, also dem Austausch der alten Windräder durch neuere und leistungsstärkere Modelle, boten die zwei Projektierer den umliegenden Gemeinden an, Anteile an der Projektgesellschaft zu erwerben. Die Gemeinde Dassow nutzte diese Gelegenheit und investierte 60 000 Euro. Aufgrund der hohen Preise während der Energiekrise konnte die Gemeinde innerhalb von nur drei Jahren 63 000 Euro zurückgewinnen.

Die Erträge fließen heute in Projekte wie Photovoltaikanlagen auf Schuldächern, LED-Straßenbeleuchtung, E-Ladesäulen sowie den Umbau des Sportplatzes und den Bau eines neuen Vereinshauses.

Bundesländer als Vorreiter

Mittlerweile sind mehrere Bundesländer dem Beispiel Mecklenburg-Vorpommerns gefolgt und haben ähnliche Gesetze verabschiedet oder auf den Weg gebracht. So folgte 2019 Brandenburg mit dem Windenergieanlagenabgabengesetz, das eine jährliche Pauschalabgabe von 10 000 Euro pro Windrad an Kommunen im Umkreis von drei Kilometern vorsieht. Durch eine Gesetzesnovellierung wird dies auf eine leistungsabhängige Zahlung von 5 000 Euro pro installiertem Megawatt umgestellt – was bei einem modernen Windrad rund 30 000 Euro pro Jahr entspricht. Mehr Details zu den Länderbeteiligungsgesetzen finden Sie in unserem Factsheet.

Frankreich: Zeit für einen ambitionierten Rechtsrahmen

In Frankreich hängt die Umsetzung eines vergleichbaren Rechtsrahmens noch in der Schwebe. Zwar sieht Artikel 93 des Gesetzes zur Beschleunigung der Erzeugung erneuerbarer Energien (Loi APER, 2023) vor, dass bestimmte Betreiber von Photovoltaik- und Windkraftanlagen zu einer Abgabe verpflichtet werden, und ein Teil der Einnahmen an die Gemeinden zurückfließen soll. Die konkreten Anwendungsmodalitäten sollen gemäß Artikel 93 in einer Durchführungsverordnung festgelegt werden, die bislang jedoch noch nicht veröffentlicht wurde.

Der aktuelle Entwurf der Durchführungsverordnung sieht eine Einmalzahlung in Höhe von 17 500 Euro pro installiertem Megawatt vor. Das entspricht etwa 100 000 Euro pro Windrad – deutlich weniger als die jährlichen Zahlungen in deutschen Bundesländern.

Um Beteiligung und Teilhabe an der Energiewende nicht unnötig auszubremsen, sollte die Durchführungsverordnung zügig verabschiedet und ambitionierter gestaltet werden. Eine Orientierung an den Erfahrungen und Erfolgen der Länderbeteiligungsgesetze in Deutschland, wie es das Zukunftswerk empfiehlt, könnte Frankreich dabei wertvolle Impulse geben.