Energy Sharing flächendeckend ermöglichen
Um lokale Ausbaupotenziale besser erschließen und ausschöpfen zu können, müssen möglichst viele Akteursgruppen aktiviert werden: Bürger:innen, Kommunen sowie kleine und mittlere Unternehmen (KMU).
Erste Erfahrungen aus Frankreich zeigen: Bei richtiger Ausgestaltung schafft Energy Sharing eine gelungene Teilhabe an der Energiewende vor Ort. Denn es ermöglicht nicht nur, erneuerbare Anlagen gemeinschaftlich zu betreiben, sondern den erzeugten Strom auch gemeinsam über das lokale Verteilnetz zu nutzen – und das zu vergünstigten und stabilen Preisen. Das schafft zusätzliche Anreize für den Zubau, insbesondere für Menschen, die sich bisher nicht aktiv an der Energiewende beteiligen konnten. Energy Sharing kann dazu beitragen, die Energieversorgung zu demokratisieren und gerechter zu gestalten.
In Kürze
- Energy Sharing ermöglicht, erneuerbaren Strom gemeinschaftlich zu erzeugen und gemeinsam zu günstigen und stabilen Preisen selbst zu verbrauchen. Dadurch können mehr Menschen aktiv an der Energiewende teilnehmen und teilhaben.
- In Frankreich gibt es bereits Energy-Sharing-Projekte, für eine Skalierung müssen jedoch bestehende rechtliche Hürden abgebaut und solidarische Beteiligungsbedingungen gestärkt werden.
- Um Energy Sharing auch in Deutschland zu ermöglichen, sollten ein eigener Rechtsrahmen geschaffen und einheitliche Verfahren für die beteiligten Akteure etabliert werden.
In Frankreich verdoppelt sich die Zahl der neuen Energy-Sharing-Projekte jährlich.
Die Gemeinde Montigny-lès-Metz in der Metropolregion Metz setzt das Konzept erfolgreich um. Dort ist Ende 2023 eine Photovoltaik-Freiflächenanlage als Energy-Sharing-Projekt ans Netz gegangen.
Die Anlage, die von der Gemeinde in Zusammenarbeit mit dem Energieversorger UEM und dem Bauunternehmen Demathieu entwickelt wurde, produziert jährlich 305 MWh. Davon werden 85 Prozent für kommunale Gebäude wie das Rathaus, Schulen und ein Schwimmbad verwendet, die restlichen 15 Prozent gehen an Demathieu. Bis zu 20 Prozent des Bedarfs der versorgten Gebäude können so gedeckt werden, wodurch über die gesamte Betriebsdauer 650 Tonnen CO₂ eingespart werden können. Für die Gemeinde bedeutet das Projekt vor allem günstigere und stabile Stromkosten in Zeiten krisenbedingter Preisschwankungen auf dem Strommarkt.
Ermöglicht wurde das Projekt durch eine Reihe vorteilhafter Gesetzesänderungen. Der entscheidende Erfolgsfaktor war in Montigny-lès-Metz jedoch die Tatsache, dass die Anzahl der beteiligten Partner überschaubar war. Die Hürde besteht nun darin, Energy Sharing zu skalieren. Das bestätigt auch Souhail Nazih, verantwortlich für Photovoltaik und Energy Sharing bei der UEM:
„Die große Herausforderung für die Zukunft besteht darin, Energy Sharing zu skalieren und Projekte mit einer Vielzahl an privaten Verbraucher:innen zu entwickeln.“
Anders als in Deutschland ist Energy Sharing in Frankreich bereits seit 2016 im Energiegesetzbuch rechtlich verankert.
Voraussetzung ist: Erzeuger:innen und Verbraucher:innen innerhalb eines definierten Gebietes schließen sich zu einer organisierenden juristischen Person zusammen. Diese fungiert als formale Schnittstelle zum Verteilnetzbetreiber.
Ein wesentlicher Unterschied zu Deutschland: Der staatliche Netzbetreiber Enedis hält 95 Prozent des Verteilnetzes, ein wichtiger Trumpf für die Standardisierung und Skalierung von Energy Sharing in Frankreich. In Deutschland hingegen gibt es über 850 Verteilnetz- und noch mehr Messstellenbetreiber, was große Herausforderungen mit sich bringt.
Unsere Aktionsvorschläge
Die Bundesregierung sollte die EU-Vorgaben (EU 2018/2001 und EU 2024/1711) umsetzen und einen ambitionierten regulatorischen Rahmen für Energy Sharing im deutschen Recht verankern. Aus den Erfahrungen in Frankreich lässt sich ableiten: Es braucht einen Rechtsrahmen, der Energy Sharing in einer regional vielfältigen Akteurslandschaft niedrigschwellig und praxisnah umsetzbar macht.
Energy Sharing sollte insbesondere für Haushalte, öffentliche Einrichtungen und KMU (siehe Definition nach EU 2003/361/EG) ermöglicht werden. Große Unternehmen, deren Haupttätigkeit im Bereich der Energieversorgung liegt, sollten vom Recht auf Energy Sharing ausgeschlossen werden, mit Ausnahme von Bürgerenergiegesellschaften nach § 3 Nr.15 EEG und Stadtwerken.
Um auch größere PV-Freiflächenanlagen und insbesondere Windparks für Energy Sharing zugänglich zu machen, sollte das zulässige Einzugsgebiet großzügig, aber mit regionalem Bezug festgelegt und für die Anlagenleistung eine großzügige bzw. keine maximale Deckelung vorgeschrieben werden.
Zur Förderung von Energy Sharing könnte eine Prämie oder eine Reduzierung der Netzentgelte eingeführt werden. Zur Bekämpfung der Energiearmut sollte, wie in Frankreich, eine kostenlose Abgabe von Überschussstrom an einkommensschwache Haushalte ermöglicht werden.
Bei über 850 Verteilnetzbetreibern und noch mehr Messstellenbetreibern ist die Kommunikation zwischen diesen Akteuren und eine Standardisierung der Anforderungen, Verfahren, IT-Infrastrukturen und Instrumente essentiell. Hierfür bietet sich eine zentrale digitale Plattform an, über die die Energy-Sharing-Prozesse einheitlich in allen Netzgebieten abgewickelt werden können. Darüber hinaus ist es wichtig, die jeweiligen Rechte und Pflichten aller beteiligten Akteure zu definieren. Die Bundesnetzagentur (BNetzA) als unabhängige Regulierungsbehörde könnte im Energiewirtschaftsgesetz (EnWG) mit entsprechenden Festlegungskompetenzen und Aufgaben ausgestattet werden.
Um Energy Sharing für alle Teilnehmenden ohne zu großen bürokratischen Aufwand zu ermöglichen, sollten zentral erarbeitete Musterverträge über eine nationale Anlaufstelle zur Verfügung gestellt werden. Denkbar wäre zum Beispiel ein Kompetenzzentrum Bürgerenergie. Über eine zentrale Anlaufstelle sollten Energy-Sharing-Projekte in ihrer Entstehung unterstützt und begleitet werden.
s. Empfehlung Finanzielle und gesellschaftliche Teilhabe am Ausbau der Erneuerbaren regional stärken.
In Frankreich übernehmen dies der zentrale Verteilnetzbetreiber Enedis und die Agentur Enogrid. Darüber hinaus sollte der für die Umsetzung von Energy Sharing notwendige Smart-Meter-Rollout weiter beschleunigt werden.
Um Energy Sharing in die Breite zu tragen, sollte die französische Regierung bestehende Barrieren beseitigen. Das Abrechnungssystem und die Verteilung der Nutzungsgebühren sollten vereinfacht werden. Damit Energy Sharing auch für regionale Versorgungssysteme, für größere PV-Freiflächenanlagen und insbesondere für Windparks umsetzbar wird, sollten die bestehenden Obergrenzen für die Gesamtleistung erweitert werden. Schließlich sollten digitale Tools weiterentwickelt und Projekte mit solidarischer Preisgestaltung gezielt gefördert werden.
Weitere Inspirationen
2023 hat die Energiegenossenschaft CIREN in Rennes das Energy Sharing Projekt ECLAIRS ins Leben gerufen. Die solidarische Preisgestaltung des Projekts ermöglicht Mitgliedern, zwischen drei Tarifen 27.11.2024zu wählen. Der Basistarif gewährleistet die Wirtschaftlichkeit von CIREN. Der Unterstützungstarif, etwa 10 Prozent höher, finanziert den Solidartarif, der speziell für Menschen in Energie-Prekarität vorgesehen ist. Dieser ist etwa 30 Prozent günstiger als der Basistarif und rund 50 Prozent günstiger als der staatlich festgelegte EDF-Tarif.
Dieses Projekt der Deutschen Energie-Agentur (dena) untersucht die Umsetzung von Energy Sharing Communities (ESC) in Deutschland anhand eines Pilotprojekts in Wunsiedel. Die Stadtwerke Wunsiedel (SWW) haben die Erzeugergemeinschaft WUNergy gegründet, um Bürger:innen das Teilen und Handeln von selbsterzeugter Energie zu ermöglichen. Als Lieferant, Messstellenbetreiber und Netzbetreiber spielen die SWW eine zentrale Rolle.