Type d'actualité / Nachricht typ
Veranstaltungen

Urbane Verdichtung und Lebensqualität in Einklang bringen

Date évènement / Datum des Ereignisses
27.04.2022
Heure de l'évènement / Anfang Uhr
12:30 - 13:30
Lieu / Ort
Online
État / Zustand
Transformationsküche #1
Image principale / Bild
Thumbnail
Bild vom Hundertwasserhaus in Magdeburg
Légende
Das Hundertwasserhaus in Magdeburg, auch bekannt als Grüne Zitadelle. Für Busso Grabow ein Beispiel für gelungene doppelte Innenentwicklung und Nutzungsmischung. I Foto: Busso Grabow
Accroche / Aufhänger
„Verdichtung und Lebensqualität sind wie Hund und Katze. Sie werden oft als unverträglich wahrgenommen. Könnten sie aber trotzdem beste Freunde werden?“
Contenu / Inhalt
Texte / Text

Mit dieser Frage hat Dr. Busso Grabow (Stadtforscher und ehemaliger Geschäftsführer des Deutschen Institut für Urbanistik) die Premiere unserer neuen Veranstaltungsreihe eröffnet und den Teilnehmenden viel food for thought beschert!

Vorspeise: Warum eigentlich Verdichtung?

Durch Busso Grabow‘s Input konnten wir erfahren, dass in Deutschland täglich zusätzlich über 50 Hektar  bebaut, asphaltiert, betoniert, gepflastert oder anderweitig befestigt werden.

Warum ist das eigentlich ein Problem? Durch Flächenversiegelung geht wertvoller fruchtbarer Boden verloren, der keinen Kohlenstoff und kein Regenwasser mehr speichern kann und der Natur oder der Landwirtschaft nicht mehr zur Verfügung steht. Dadurch steigt beispielsweise das Hochwasserrisiko und auch das Mikroklima leidet darunter.

Wie lässt sich also diese schleichende Umweltkatastrophe bekämpfen und Flächenversiegelung wie von der Bundesregierung anvisiert bis 2030 auf „unter 30 Hektar pro Tag“ begrenzen oder gar, wie es sich Herr Grabow wünschen würde, auf null reduzieren?

Eine Antwort auf diese lautet: Verdichtung. Statt nach außen, sollten Städte und Gemeinden sich nach innen entwickeln. Das heißt z.B. frei liegende Flächen innerhalb der Stadt besser nutzen, Verkehrsflächen reduzieren oder Dächer aufstocken und ausbauen. Aber steht Verdichtung nicht im Widerspruch zu Lebensqualität, beispielsweise durch Dichtestress wie Lärm, Enge, Hitze, Licht- und Luftverschmutzung sowie Nutzungsdruck auf Grün- und Freiflächen?

„Verdichtung ist ökologisch richtig, aber nur mäßig beliebt“, ist das also das Fazit? Weder das eine noch das andere ist vollkommen richtig oder falsch. Für Busso Grabow ist Verdichtung dann eine Lösung, wenn Lebensqualität mitgedacht wird und beide Ansätze gemeinsam entwickelt werden. Denn nur so können fruchtbare Flächen geschützt und gleichzeitig städtischer Lebensraum mit hoher Wohnqualität bereitgestellt werden. Verdichtung, so der Stadtforscher, muss also stets als „doppelte Innenentwicklung“ gedacht werden, im Sinne einer baulichen und einer grünen Entwicklung. Urbanes Grün erhöht nämlich nicht nur die Lebensqualität, sondern federt auch Auswirkungen des Klimawandels ab, beispielsweise Extremwetterereignisse wie Hitze und Starkregen.

Hauptgang: No silver bullets – Oder warum lokale Kontexte wichtig sind

Zeit zum Verschnaufen gab es nach dieser erkenntnisreichen Einführung in das Thema nicht, schon wurde zwischen zwei Happen leidenschaftlich diskutiert!  

So wurde beispielsweise der Unterschied zwischen großen und kleinen Städten hervorgehoben. Menschen ziehen aus unterschiedlichen Motivationen in Großstädte bzw. ländlichere Gegenden, z.B. um soziale Dichte und Mischung erleben zu können oder wiederum, um Freiräume genießen und sich den Traum des Einfamilienhauses leisten zu können. Gibt es also für beide Kontexte übergreifende Lösungsansätze? Stadtentwicklung, so der Diskussionstenor, muss lokal gedacht werden - es gibt kein Allzweckmittel.

Eine für Stadtentwicklung zuständige Abteilungsleiterin betonte beispielsweise, wie wichtig es sei sich die Frage zu stellen, zu wessen Gunsten und Lasten verdichtet wird. So komme es manchmal zu wirtschaftlich motivierten „unverschämten Nachverdichtungsvorschlägen“. Wichtig sei es zudem, Nachverdichtung auf Stadtquartiersebene herunterzubrechen, um Baukultur und -identität gemeinsam mit den Einwohner:innen zu verhandeln und somit Bewohnbarkeit und Akzeptanz zu garantieren.

Für den Vorstand einer Baugesellschaft in ländlichem Kontext müsse die Frage gestellt werden, ob Verdichtung immer ein wünschenswertes Ziel sei, da diese in der Vergangenheit öfters zu „sozialen Brennpunkten“ geführt habe. Was es braucht sei vor allem die Wiederbelebung des ländlichen Raums, indem Anreize wie z.B. eine Umzugspauschale geschaffen werden, um Leute aus Großstädten in Gemeinden zu holen, die mit Leerstand und Rückbau zu kämpfen haben.

Busso Grabow betonte wiederum, dass schlechte Nachverdichtungsbeispiele nicht verallgemeinert werden sollten. Mittlerweile gebe es genug Positivbeispiele für sowohl ökologisch als auch sozial nachhaltige Verdichtung in städtischen sowie ländlichen Räumen, an denen man sich nun orientieren müsse: „Hund und Katze müssen zusammen aufwachsen.“

Dessert: Von Wohnraummangel zu Suffizienz und alternativen Wohnkonzepten?

Nach einer schnell verflogenen Stunde ist unsere kulinarisch und intellektuell sättigende erste Transformationsküche auch schon vorbei. Dabei wurden auch viele neue Fragen aufgeworfen: Warum wird eigentlich neuer Wohnraum benötigt, obwohl der Bevölkerungswachstum in Deutschland seit Jahren stagniert? Wie lässt sich Wohnraum besser verteilen? Oder auch umverteilen? Braucht es, entgegen dem was in der Diskussion als „deutsche Schrebergartenmentalität“ genannt wurde, suffizientes Wohnen und alternative Lebenskonzepte? Es gibt also noch reichlich Stoff für weitere Transformationsküchen!

Titre de la section / Titel

Die Transformationsküche

Texte / Text

Gute Gespräche und neue Ideen kommen oft außerhalb von klassischen, durchstrukturierten Meetings zustande – zum Beispiel an der Kaffeemaschine oder in der Mittagspause. Mit der Transformationsküche möchten wir einen Raum öffnen, um uns ähnlich wie beim ungezwungenen Plaudern in der Kaffeeküche zu Fragen aus dem Themenkomplex „nachhaltige Stadtentwicklung“ auszutauschen.

Die Transformationsküche findet in der Mittagspause statt: allen Teilnehmenden ist es explizit gestattet, während der Veranstaltung zu essen. Wer mag, kann gerne das Büro verlassen und sich aus der Küche zuschalten.

Die Transformationsküche ist ein kurzes, entspanntes Diskussionsformat: Wir treffen uns nur für eine knappe Stunde - genug, um Appetit auf Mehr zu bekommen!