Resonanzraum in Metz legt Grundstein für Handlungsempfehlungen
Von Nicolas Geffroy
Dass Metz von der deutsch-französischen Geschichte geprägt ist, wird schon bei der Ankunft am Bahnhof Metz Ville deutlich: Das prachtvolle Bahnhofsgebäude wurde im 19. Jahrhundert von einem Berliner Architekten entworfen, als Elsass-Lothringen noch ein Verwaltungsgebiet des Deutschen Reiches war. Für das Zukunftswerk zählt Metz zu den Partnerkommunen, die eine besondere Vorreiterrolle in der lokalen Energiewende einnehmen. Die Metropolregion verfügt beispielsweise über ein Fernwärmenetz, das mit einer Länge von 140 Kilometern das viertgrößte in Frankreich ist.
Energiewende auf lokaler Ebene muss ganzheitlich gedacht werden
Städte wie Metz arbeiten intensiv daran, eine klimaneutrale Energieversorgung schnell und flächendeckend umzusetzen. Das Zukunftswerk entwickelt gemeinsam mit ihnen politische Handlungsempfehlungen an die Regierungen beider Länder, um diese Transformation zu beschleunigen.
Die rund 80 Expert:innen und Praktiker:innen stammen aus lokaler Verwaltung, Wirtschaft, Zivilgesellschaft und Wissenschaft. So unterschiedlich die Perspektiven sind, in einem sind sich alle einig: Nur mit einem ganzheitlichen Ansatz ist es möglich die Energiewende im Strom- und Wärmesektor zu meistern. Lokale Energieerzeugung braucht geeignete Flächen. Netze müssen ausgebaut werden, um die produzierte Energie zu verteilen. Damit sie am Ziel nicht sinnlos verloren geht, brauchen wir energieeffiziente Gebäude und ein energiesparendes Verhalten bei den Verbraucher:innen. Suffizienz, Gebäudesanierung, erneuerbare Strom- und erneuerbare Wärmeproduktion sind daher die Themenfelder der deutsch-französischen Resonanzräume.
Sensibilisierung auf allen Ebenen und verlässliche Rahmenbedingungen als Erfolgskriterien
In jeder der Arbeitsgruppen entwickelte sich eine ganz eigene Dynamik. Dabei lag „die Inspiration und Anregung in der Betrachtung der unterschiedlichen Ansätze, Möglichkeiten und Rahmenbedingungen in beiden Ländern und natürlich in den Gemeinsamkeiten, dem gemeinsamen Erreichen des gemeinsamen Ziels“, so eine Teilnehmerin nach der Veranstaltung.
Bei welchen Punkten herrscht in Deutschland und Frankreich nun aber Einigkeit? Und welche Unterschiede machen auf Potenziale aufmerksam?
Beide Länder sind sich einig, dass ein tieferes Verständnis und eine größere Sensibilisierung sowohl von Fachleuten als auch von der breiten Bevölkerung nötig sind, damit die Energie- und Wärmewende gelingen kann. Gemeinsamkeiten zeigten sich auch bei den Energiesparmaßnahmen, die in beiden Ländern während der Energiekrise umgesetzt wurden – wobei Frankreich im Gegensatz zu Deutschland das Thema Energiesparen durch Suffizienz längerfristig als wichtigen Bestandteil seiner Dekarbonisierungsstrategie verankert hat.
Diese Diskussionen waren ein wichtiger Impuls für die Arbeitsgruppe, die sich mit dem Thema Suffizienz befasste und die langfristige Schaffung von Rahmenbedingungen für ressourcenschonendes Verhalten diskutierte. Bestehende Maßnahmen zur Energieeinsparung zielen oft auf individuelle Verhaltensänderungen ab und vernachlässigen strukturelle Aspekte.
Energy Sharing, Gebäudekataster und Reduzierung der Mehrwertsteuer – interessante Facetten des deutsch-französischen Vergleichs
Im Bereich der Gebäudesanierung besteht eine der größten Herausforderungen darin, auf lokaler Ebene mit den sich ständig ändernden gesetzlichen Rahmenbedingungen und Förderbedingungen umzugehen. Mit Blick auf solche rechtlichen Rahmenbedingungen im Strombereich stieß die Umsetzung von Energy Sharing in Frankreich auf besonderes Interesse der deutschen Teilnehmenden. UEM (Usine d'électricité de Metz), Stromerzeugerin und -lieferantin für die Stadt Metz und 141 umliegende Gemeinden, stellte an einem lokalen Beispiel aus der Eurométropole de Metz vor, wie Energy Sharing gelingen kann. Das partizipative Energiekonzept schafft den Marktrahmen, um gemeinschaftlich erzeugten regenerativen Strom über ein regionales Verteilnetz kostengünstig zu verbrauchen. Dieser gesetzliche Rahmen existiert in Deutschland noch nicht, soll aber in Kürze durch EU-Richtlinien ermöglicht werden.
Viele Beispiele aus Frankreich können auf deutscher Seite inspirieren – zum Beispiel, wenn es um effizientere und nachhaltigere Wärmenetze geht. Dabei stehen verschiedene Betreibermodelle im Fokus. Besonders interessant war für die deutschen Teilnehmer:innen die Entscheidung in Frankreich, die Mehrwertsteuer auf Wärme in Wärmenetzen von 20 % auf 5,5 % zu senken, wenn sie zu mindestens 50 % aus erneuerbaren Quellen und unvermeidbarer Abwärme stammt. Dies könnte ein möglicher Beschleunigungsfaktor für nachhaltige Wärmenetze sein.
Des Weiteren wurde in einer anderen Diskussionsgruppe die rechtliche Definition von Agri-PV (Agrar-Photovoltaik) und die erleichterte Installation von Solaranlagen auf landwirtschaftlichen Flächen als inspirierende Maßnahme für Deutschland identifiziert. Auch stieß die Existenz eines nationalen Gebäudekatasters in Frankreich, das die privaten Eigentümer:innenstrukturen analysiert, bei deutschen Expert:innen auf großes Interesse. Diese hatten bereits ähnliche Strukturen gefordert und sehen darin einen wichtigen Schritt für die Gebäudesanierung.
Austausch in Metz eröffnet den weiteren Dialog
Neben der inhaltlichen Arbeit standen das gegenseitige Kennenlernen und der informelle Austausch im Mittelpunkt des Treffens in Metz. „Ich habe tolle Leute kennengelernt und mein Netzwerk erweitert“, so eine Teilnehmerin der Resonanzräume.
Nach zwei inspirierenden Tagen verließen die Teilnehmenden das Kongresszentrum und bestiegen am historischen Bahnhof den Zug in Richtung beider Länder. Wir hoffen, dass sie die Anregungen mit in ihre tägliche Arbeit nehmen! Der konstruktive Austausch wird bis zum Herbst fortgesetzt, bevor im Dezember die politischen Handlungsempfehlungen des Zukunftswerks veröffentlicht werden.