ÖPNV-Finanzierung nachhaltig sichern: Chancen und Hürden der Drittnutzerfinanzierung und Learnings aus Frankreich

Die Umwidmung von Straßen zugunsten einer flächensparenden Mobilität ist ein wichtiger Hebel, um öffentliche Flächen freizugeben und den ökologischen Wandel in dichten Stadtgebieten, aber nicht nur dort, zu unterstützen. Die Entwicklung eines modernen und zugänglichen öffentlichen Nahverkehrs ist eine Grundvoraussetzung für die Umgestaltung des städtischen Straßenraums. Er stellt auch die einzige akzeptable Alternative zur oft unumgänglichen Nutzung von Privatfahrzeugen in Stadtrandgebieten dar.
Finanziert wird der ÖPNV in Deutschland sowohl aus öffentlichen Mitteln als auch durch die Nutzerinnen und Nutzer, also über Fahrgeldeinnahmen. Allerdings reichen die Einnahmen aus dem Fahrkartenverkauf nicht aus, um den öffentlichen Nahverkehr kostendeckend zu betreiben. Das Ministerium für Verkehr des Landes Baden-Württemberg arbeitet seit mehreren Jahren mit Modellkommunen an einem Mobilitätspass als mögliches Instrument der Drittnutzerfinanzierung. Vier unterschiedliche Varianten dieses Beitrags kommen in Frage: Der Mobilitätspass für Einwohner:innen, für Arbeitgeber:innen, für Kfz-Halter:innen und für Kfz-Nutzende.
In Frankreich beruht die Finanzierung des öffentlichen Nahverkehrs auf drei Säulen: die Nutzerfinanzierung durch Fahrgeldeinnahmen, Finanzierungsbeiträge der öffentlichen Hand und die Drittnutzerfinanzierung in Form der „Mobilitätsabgabe“ (versement mobilité). Der versement mobilité ist eine lohnsummenbezogene Abgabe für öffentliche und private Arbeitgeber ab 11 Beschäftigten, die je nach Größe der Kommune zwischen 0,55 % und 2,95 % betragen kann. Die französische Mobilitätsabgabe wird zweckgebunden zur Finanzierung von Betriebs- oder Investitionskosten öffentlicher Verkehrssysteme verwendet. Mit rund neun Milliarden Euro (2021) beträgt ihr Anteil an der Finanzierung des ÖPNV in Frankreich 45 %.
Die Finanzierung des öffentlichen Nahverkehrs in Deutschland durch eine Sonderabgabe für Arbeitgeber:innen sichern – so lautet eine der konkreten Empfehlungen des Deutsch-Französischen Zukunftswerks.
Welche Potentiale bieten verschiedene Formen der Drittnutzerfinanzierung für den Ausbau des ÖPNV in Deutschland, insbesondere eine Mobilitätsabgabe nach französischem Vorbild?
In einer Zeit, in der die Finanzierung des Deutschlandtickets unsicher erscheint, diskutierten wir diese Frage u.a. anhand der Erfahrungen in Baden-Württemberg – in Anwesenheit von Herrn Michael Öhmann, Referatsleiter im Ministerium für Verkehr von Baden-Württemberg. Der Erfahrungsaustausch fand im Rahmen der Veranstaltungsreihe EN DÉBAT im Büro des Deutsch-Französischen Zukunftswerks in Berlin statt.
En Débat
Mit der Veranstaltungsreihe En Débat stellt das Deutsch-Französische Zukunftswerk ausgewählte Forschungs- und Arbeitsergebnisse vor und beleuchtet im Rahmen eines gemeinsamen Erfahrungsaustauschs Perspektiven zu Transformationsansätzen in Deutschland und Frankreich.
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Foto: © Johanna Fischer Photography
Robin Denz ist seit Februar 2022 wissenschaftlicher Mitarbeiter beim Deutsch-Französischen Zukunftswerk. Er hat Interkulturelle Studien (M.A.) an der Albert-Ludwigs-Universität Freiburg und der École normale supérieure Lyon sowie Umwelt- und Nachhaltigkeitswissenschaften (MSc) an der Lund University studiert. Sein Schwerpunkt bei Letzterem lag auf Klima-Bürger:innenräten, Protestbewegungen und Postwachstumsökonomie. Vor seiner Tätigkeit für das Zukunftswerk arbeitete er beim europäischen Kulturkanal ARTE als Referent für Präsidiumsarbeit und European public affairs. Im Deutsch-Französischen Zukunftswerk liegt ein Schwerpunkt seiner Arbeit auf der Konzeption und Moderation von Dialogveranstaltungen mit und für Akteur:innen der sozial-ökologischen Transformation. Er begleitet und unterstützt kollaborative und ko-kreative Prozesse und setzt interaktive und partizipative Methoden ein, um Räume für Dialog, Austausch und gegenseitiges Lernen zu schaffen.