Wie gestaltet man die ökologische Transformation einer Industrieregion?
Die Geschichte Dünkirchens ist stark mit dem Hafen und der Industrie verbunden. Wie arbeiten der Kommunalverband Dünkirchen und die Industrie zusammen, um die ökologische Transformation der Region zu beschleunigen? Welche Rolle spielt Euraénergie?
Schon sehr früh musste sich die Region um Dünkirchen mit grundlegenden Veränderungen ihrer Industrie auseinandersetzen. Aufgrund der Sorge um den Erhalt von Arbeitsplätzen und der Reduktion des ökologischen Fußabdrucks durch die lokale Industrie praktiziert man seit fast 60 Jahren die sogenannte "industrielle Ökologie". Sowohl bei der Industrie als auch beim Kommunalverband Dünkirchen (Communauté urbaine de Dunkerque, CUD) war schnell ein Interesse an einer gemeinsamen Vision spürbar. Euraénergie spielt die für die Umsetzung dieser Vision notwendige Rolle der Moderation zwischen öffentlichen und privaten Strukturen. Wir wollen auf Grundlage des Austauschs mit der Vielzahl der in der Region vertretenen Akteur:innen (staatliche Stellen, Industrie, Wissenschaft, Zivilgesellschaft) Politik gestalten.
Eines der Ziele des Projekts „Dunkerque, l’Énergie Créative“ ist es, die Lebensqualität der Bewohner:innen der Region zu verbessern, zum Beispiel durch eine bessere Luftqualität. Wie wird dies konkret umgesetzt?
Die Verbesserung der Luftqualität ist einer der vier strategischen Schwerpunkte des Projekts. Wir kooperieren mit wissenschaftlichen Einrichtungen wie mit der Université du Littoral Côte d’Opale (ULCO) und deren Forschungslabors für industrielle Umwelt. Konkrete Projekte, wie die Einrichtung eines lokalen Gesundheitsobservatoriums, werden von der Universität ULCO, privaten Akteur:innen wie der Firma Suez oder dem Verein EspaceSanté du Littoral getragen. Unser Ziel sind neue Projekte bezüglich der Herausforderungen für die Gemeinden und zur Verbesserung der Lebensqualität. Im Rahmen des territorialen Dialogs des Projekts „Dunkerque, l’ÉnergieCréative“ wird übrigens eine Beobachtungsstelle für die Lebensqualität geschaffen. Ein von der Caisse des Dépôts et Consignations eingestelltes und kofinanziertes Projektteam wird sich damit befassen.
Wie gelingt dem Kommunalverband Dünkirchen die Einbindung der Bürger:innen in den Transformationsprozess?
Der Kommunalverband Dünkirchen hat ein Programm namens "Öko-Gewinner:innen" ins Leben gerufen. Dieses Programm will jedem Einzelnen mehr Kaufkraft bieten und gleichzeitig unsere Umwelt besser schützen. Das Programm sieht „Win-Win“-Strategien aus ökonomischer und ökologischer Sicht in Bereichen wie Wohnen, Müllabfuhr, Verkehr oder Wasserverbrauch vor. Unter dem Namen „Das Leben gemeinsam verändern“ wurde im Jahr 2021 eine digitale Plattform für Austausch und Abstimmung mit den Bürger*innen aufgesetzt. Vor dem Hintergrund der Corona-Pandemie hat der Kommunalverband Dünkirchen die 200.000 Einwohner:innen des Gemeindeverbands zur direkten Meinungsäußerung über unsere Welt von morgen geladen, ein neuer Ansatz für lokale Demokratie. Anfang des Jahres wurden in den Gemeinden durch ein Meinungsforschungsinstitut Umfragen durchgeführt. Diese ermittelten drei für die befragten Bewohner:innen wichtige Themen – Beschäftigung, Gesundheit und Umwelt – sowie eine Zielgruppe, die in ihren Augen bei den Aktionen Vorrang hat: die Jugend. Um auf die vorrangigen Sorgen der Bewohner:innen einzugehen, veranstaltet der Kommunalverband das Umwelt-Forum sowie die Jugendtage. Darüber hinaus wird es Bürger:innenbeteiligungen zu bestimmten öffentlichen Politikansätzen im Zusammenhang mit Gestaltungsprojekten, Fußgänger:innenzonen bzw. Fahrradprojekten geben.
Der erste Resonanzraum des Zukunftswerks fand im November 2021 in Dünkirchen statt. Was sind Ihre Eindrücke und Reaktionen?
Ich bin stolz, dass meine Region als Gastgeber für die Veranstaltung ausgewählt wurde, aber auch auf das Interesse an den Aktionen sowie den politischen Maßnahmen in Dünkirchen. Wir hatten die Chance, unsere Ziele und Aktionen zu formulieren und das Interesse an unserem Gemeindeverband zu erkennen. Für mich persönlich war es interessant, die Befindlichkeiten anderer Städte und Gemeinden zu sehen, mit denen das Deutsch-Französische Zukunftswerk zusammenarbeitet, und mehr über die Sorgen nicht industriell geprägter Regionen zu lernen, denen es aber gelingt, stets die Bewohner:innen in den Mittelpunkt der lokalen Politik zu stellen.
Zur Person
Martine Monborren stammt aus Dünkirchen und arbeitet nach ihrem Studium der Chemie, Physik und Umweltwissenschaften seit über 20 Jahren im öffentlichen Dienst der Region. Als den roten Faden ihrer Karriere bezeichnet Martine Monborren nachhaltige Entwicklung und die Energiewende: Sie hat Nutzer:innen beraten, die Vergabe öffentlicher Aufträge im Energiesektor verwaltet, bei der Europäischen Konferenz zur Energiewende mitgewirkt und sich für die Entwicklung von Wärmenetzen eingesetzt. Heute hat sie als Geschäftsführerin die Leitung des Projekts „Dunkerque, l’ÉnergieCréative“ („Dünkirchen, kreative Energie“) inne.