Wie kann Bürgerbeteiligung konkret organisiert werden?
Bürger:innenbeteiligung: wann, wie und wie oft?
Um das Ziel der Klimaneutralität zu erreichen, müssen sich alle einbringen: der Staat, die lokalen Behörden, die Unternehmen, zivilgesellschaftlicheVerbände und die Bürger:innen. Tatsächlich kann nur ein kleiner Teil der in einer Stadt verursachten CO2-Emissionen direkt von der Verwaltung kontrolliert oder beeinflusst werden. Das ist einer der Gründe, weshalb Marburg und La Rochelle auf Kooperation und Partizipation setzen – sowohl mit Akteur:innen aus der Wirtschaft als auch mit Vertreter:innen der Zivilgesellschaft vor Ort.
Der Ballungsraum La Rochelle hat sich mit der Universität, dem Hafen, der Stadt La Rochelle, dem Stadtteil Bas Carbone Atlantech und 130 weiteren Partner:innen zusammengetan, um bis 2040 eine CO₂-Bilanz von Null zu erreichen. Daraufhin wurde ein „Bürgerausschuss“ (Comité citoyen) eingerichtet, der die Einwohner:innen in die Pläne miteinbinden soll. 30 Kandidat:innen wurden mittels eines Bewerbungsverfahrens ausgewählt und haben ein dreijähriges Mandat erhalten. Die Stadt Marburg dagegen, die bis 2030 klimaneutral werden möchte, nutzte zwei partizipative Workshops, um diese Zielsetzung zu definieren. Sie will nun Wege finden, um die Beteiligung der Zivilgesellschaft an den Klimaschutzmaßnahmen zu institutionalisieren. So ist zum Beispiel ein „Zukunftsrat“ in Planung, an dem 30 bis 40 Vertreter:innen der Zivilgesellschaft beteiligt werden sollen.
Die Diversität der Repräsentant:innen garantieren
Bei ihrem zweiten virtuellen Peer-Dialog diskutierten die Vertreter:innen der beiden Städte über Chancen und Herausforderungen der Bürgerbeteiligung. Im Mittelpunkt standen außerdem konkrete Fragen, mit denen sie bei der Organisation ihrer jeweiligen Bürgerausschüsse konfrontiert sind: Welches Auswahlverfahren sollte angewendet werden? Wie kann sichergestellt werden, dass der Ausschuss die Vielfalt der lokalen Zivilgesellschaft hinreichend repräsentiert? Wie oft sollte der Ausschuss tagen? Wie kann gewährleistet werden, dass die Ergebnisse der Beratungen in Politik und Verwaltung auch berücksichtigt werden? Welche Wege wären geeignet, um Wirtschaft und Universität einzubinden?
Die Möglichkeiten und die Schwierigkeiten, die die Organisation von Bürgerbeteiligung und die Aufstellung ihrer Bürgerausschüsse mit sich bringt, werden sichtbar gemacht. Beiden Städte ist es wichtig, die Vielfalt in der Zivilgesellschaft abzubilden. Sie haben jedoch unterschiedliche Mittel für die Umsetzung gewählt. La Rochelle stützte sich auf ein Bewerbungsverfahren, das zum Teil anonymisiert war und durch das eine gemischte Gruppe von 30 Freiwilligen zusammengestellt werden konnte. Marburg dagegen erwägt, an frühere Erfahrungen anknüpfen und die Zusammensetzung des „Zukunftsrats“ auszulosen. Die Stadt will damit den Selektionsbias im Auswahlverfahren reduzieren und den Ausschuss vielfältiger aufstellen. Gleichzeitig kann es passieren, dass nicht alle ausgelosten Bürger:innen auch zur Teilnahme bereit sind. Im Rahmen des Dialogs haben die beiden Städte Vor- und Nachteile verschiedener Vorgehensweisen diskutiert. Im Austausch haben sie sich gegenseitig neue Perspektiven und Ideen eröffnet, wie Bürger:innenperspektiven bei der Umsetzung von Klimaschutzplänen konkret berücksichtigt werden können.
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Deborah Ferreira ist Sozialwissenschaftlerin und Moderatorin. Seit April 2020 arbeitet sie als wissenschaftliche Referentin beim Deutsch-Französischen Zukunftswerk. Hier gestaltet sie partizipative und ko-kreative Dialogprozesse zwischen Kommunen sowie Akteur:innen aus Zivilgesellschaft, Politik, Wirtschaft und Wissenschaft und entwickelt in kollaborativen Prozessen Handlungsempfehlungen für die deutsche und französische Regierung.
Deborah Ferreira hat einen M.A. in Interdisziplinäre Lateinamerikastudien (FU Berlin) mit einem Fokus auf Soziologie und Politik und einen B.A. in Kultur- und Sozialethnologie und Soziologie (Universität Göttingen). Der Fokus ihres Studiums lag in sozialen Folgen von Bergbau, sozialen Bewegungen und Konfliktmediation.

Marion Davenas ist seit Januar 2021 wissenschaftliche Mitarbeiterin beim Deutsch-Französischen Zukunftswerk. Sie hat Politikwissenschaften an der Sciences Po Paris und an der Freien Universität Berlin studiert. Ihr Schwerpunkt lag dabei auf Postkolonialismus, Rassismuskritik und kritisches Weißsein. Vor ihrer Tätigkeit für das Zukunftswerk arbeitete sie sieben Jahre für zivilgesellschaftliche Organisationen im Bereich der diskriminierungskritischen Bildung. Seit 2019 ist sie zertifizierte Mediatorin. Im Deutsch-Französischen Zukunftswerk liegt ein Schwerpunkt ihrer Arbeit auf der Konzeption und Moderation von Dialogveranstaltungen mit und für Akteur:innen der sozial-ökologischen Transformation. Sie begleitet und unterstützt kollaborative und ko-kreative Prozesse und setzt interaktive und partizipative Methoden ein, um Räume für Dialog, Austausch und gegenseitiges Lernen zu schaffen.