Die Finanzierung lokaler Klimamaßnahmen überdenken

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Das Engagement von Gebietskörperschaften ist für die Reduktion von Treibhausgasemissionen von zentraler Bedeutung. Nationale und europäische Förderprogramme bieten finanzielle Unterstützung, doch der Zugang bleibt oft anspruchsvoll. In Deutschland und Frankreich gibt es Ansätze, um diese Barrieren erfolgreich zu überwinden.
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„Die von den Ausschreibungen vorgegebenen Fristen erfordern eine hohe fachliche Kompetenz der Kommunen. Ein ehrgeiziges Programm lässt sich nicht improvisieren. Diese Kompetenz erlangt man durch die Verstetigung von Strategieentwicklungsprozessen und die Konsolidierung von Partnerschaften. Kleine Gebietskörperschaften, die bereits mit dem Alltagsgeschäft voll ausgelastet sind, haben diese Vorlaufzeit zur Strategieentwicklung nicht.“

Joffrey Perrussel, Beauftragter für die Strategie zur Senkung des CO2-Ausstoßes, La Rochelle Territoire Zéro Carbone

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„Wir sind deshalb als Kreis mit dem Klimaschutz so gut weitergekommen, weil wir selbst und im Netzwerk mit den Kommunen Personal aufbauen konnten, das gut miteinander arbeitet. Doch eine Herausforderung bleibt, auf diesem Niveau und sogar mit noch mehr Power weiterzuarbeiten. Klimaschutz hängt immer am Tropf einer guten Finanzierung, die sich momentan noch vor allen Dingen über Fördermittel darstellt.“

Silke Wesselmann, Amtsleiterin, Amt für Klimaschutz und Nachhaltigkeit, Kreis Steinfurt

Texte d'introduction / Einleitungstext

Das Amt für Klimaschutz und Nachhaltigkeit im Kreis Steinfurt ist Vorreiter einer ökologischen Transformation und in Deutschland einzigartig. Ein Team von 25 Mitarbeiter:innen kümmert sich im Kreis um Klimaschutz und Klimafolgenanpassung, den Ausbau der erneuerbaren Energien und Energieeffizienz, sowie Stärkung der regionalen Wertschöpfung. Über einen dazu gegründeten Verein Energieland e.V. kooperiert der Kreis mit Unternehmen, er berät, vernetzt und informiert seine Kommunen und Bürger:innen. Darüber hinaus unterstützt das Amt seine 24 Städte und Gemeinden bei der Beantragung von Fördermitteln für Klimamaßnahmen, wie z.B. durch Sammelanträge für Stellen von Klimaschutz-Manager:innen. Doch selbst ein personell so gut ausgestatteter Kreis muss sich kontinuierlich um weitere Finanzierung für seine ambitionierte Klimapolitik kümmern. Dies bedarf Kapazitäten. Von Kommunen [1] kann jedoch nicht erwartet werden, dass sie die Kapazitäten mitbringen, um den „Antragsdschungel“ zu bewältigen.

[1] Im Folgenden werden als Kommunen alle Gebietskörperschaften bezeichnet, die Aufgaben der kommunalen Ebene wahrnehmen. Kommunen sind also Kreise, Städte, Gemeinden und Stadtbezirke. Im Französischen werden die unterschiedlichen Gebietskörperschaften der kommunalen Ebene zusammenfassend als collectivités territoriales bezeichnet, obwohl diese in Frankreich auch überkommunale Gebietskörperschaften miteinbeziehen.

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Begründung
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Kommunen stehen an vorderster Front bei Klimaschutz und Klimafolgenanpassung, kurz, bei Klimamaßnahmen. Dies schlägt sich auch in ihrem Bedarf an öffentlichen Klimainvestitionen nieder. Schätzungen haben ergeben, dass es in Deutschland im kommunalen Bereich 17 Milliarden Euro für Klimainvestitionen jährlich bedarf. Im Vergleich dazu benötigt der Bund 9 Milliarden Euro jährlich. Doch wird dieser Bedarf momentan noch nicht gedeckt. [2] In Frankreich sieht es ähnlich aus: Laut Schätzungen des Forschungszentrums I4CE muss die öffentliche Hand kurzfristig 9 Milliarden Euro pro Jahr an zusätzlichen Investitionen tätigen, um die Klimaziele zu erreichen. Eine Aufgabe, die angesichts der insgesamt 45 Milliarden Euro an öffentlichen und privaten Investitionen, die im Jahr 2020 bereits getätigt wurden, machbar ist. [3]

 Es gibt bereits eine Vielfalt an Förderprogrammen für kommunale Klimamaßnahmen. Jedoch hat es ein Großteil der Kommunen schwer, diese Förderprogramme zu kennen und nutzen. Die Fristen sind meist kurz. Die Antragstellung ist bürokratisch. Wie die Erfahrungen des Kreises Steinfurt und der Stadt La Rochelle zeigen, braucht es Personal, Kompetenz und feste Partnerschaften, um die Antragstellung und Abwicklung der Fördermittel zu bewältigen.

In Deutschland sind Klimamaßnahmen bisher eine freiwillige Aufgabe und bleiben daher hinter anderen kommunalen Aufgaben zurück. In Frankreich ist die Erstellung von kommunalen Klimaaktionsplänen zwar verpflichtend, aber nicht mit einer ausreichenden Finanzierung unterlegt.

Auch werden Klimamaßnahmen momentan noch zu wenig systematisch in die existierenden kommunalen Budgets integriert. Um dies effektiv zu tun, bräuchten Kommunen Beratung und Unterstützung.

 

[2] Krebs, Tom, and Janek Steitz. "Öffentliche Finanzbedarfe für Klimainvestitionen im Zeitraum 2021-2030." Forum for a New Economy, Working Papers. Vol. 3. 2021. https://static.agora-energiewende.de/fileadmin/Projekte/2021/2021_09_KlimaInvest2030/FNE_AEW_KlimaInvest2030_WEB.pdf.

[3] https://www.i4ce.org/download/edition-2021-panorama-des-financements-climat/

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Plädoyer
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Lokale Erfahrungen in Deutschland in Frankreich haben gezeigt, dass die Finanzierung für kommunale Klimamaßnahmen momentan nicht gesichert ist. Förderprogramme, so wichtig sie sind, reichen nicht aus, da sie in beiden Ländern zumeist nur von bereits fortgeschrittenen Kommunen effektiv in Anspruch genommen werden können.

Das beeindruckende Engagement von Personen auf lokaler Ebene könnte durch eine bessere finanzielle Grundausstattung der Kommunen potenziert werden. Dazu müssen die nationalen Regierungen sowohl in Frankreich als auch in Deutschland sicherstellen, dass allen Kommunen eine langfristige Finanzierung von Klimamaßnahmen ermöglicht wird.

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Aktionsvorschläge

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Nationale Förderprogramme für die kommunale sozial-ökologischen Transformation optimieren:
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Das Deutsch-Französische Zukunftswerk empfiehlt den Regierungen Deutschlands und Frankreichs folgende Maßnahmen zu ergreifen:

  • Dazu sollte der Ausbau einer proaktiven und regionalisierten Unterstützungsstruktur für Kommunen zur Kompetenzsteigerung in ihrer Planung von Klimamaßnahmen gestärkt werden. Diese Unterstützungsstruktur sollte ebenso die Kompetenz der Kommunen zum Abruf nationaler Fördermittel steigern. Insbesondere Kommunen, die noch am Anfang ihrer Ambitionen stehen, brauchen Personal und Kapazitäten, um längerfristige Finanzierungsstrategien zu entwickeln.
  • Die Förderprogramme sollten darauf abzielen, Bürokratisierung drastisch abzubauen, ohne die Kapazität des Fördermittelmanagements und der Rechenschaftslegung zu vernachlässigen. Um dies zu gewährleisten, sollte die Überarbeitung und regelmäßige Überprüfung der nationalen Fördermittelvergabe in einer kontinuierlichen Zusammenarbeit zwischen nationaler Regierung und Kommunen erfolgen.

 

 

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Klimawirkungen in alle kommunale Förderprogramme mainstreamen
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Das Deutsch-Französische Zukunftswerk empfiehlt den Regierungen Deutschlands und Frankreichs folgende Maßnahmen zu ergreifen:

Die nationalen Regierungen sollten Wirkungen einer Maßnahme auf Klimaschutz, Anpassung an Klimafolgen und Umweltschutz, als wichtiges Kriterium in sämtliche nationale Förderprogramme, die sich an Kommunen richten, aufnehmen. Die Aufnahme des Kriteriums sollte mit einer Finanzierung des für Kommunen damit verbundenen Mehraufwands einhergehen.

 

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Einen ebenenübergreifenden Innovationswettlauf ins Leben rufen
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Das Deutsch-Französische Zukunftswerk empfiehlt den Regierungen Deutschlands und Frankreichs folgende Maßnahmen zu ergreifen:

Bund, Länder und Kommunen in Deutschland, nationale Regierung, Régions und lokale Gebietskörperschaften in Frankreich stehen vor den gleichen Herausforderungen bei Klimamaßnahmen und arbeiten gleichermaßen an Lösungen. Um ebenenübergreifenden Raum für Austausch zu innovativen Lösungen zu schaffen, sollte die nationalen Regierungen einen ebenenübergreifenden Innovationswettlauf für effektive Lösungen ins Leben rufen. In diesem Wettlauf bemühen sich die verschiedenen Ebenen gleichermaßen um innovative Lösungen, die z.B. die Wirtschaftlichkeit der Klimamaßnahmen und mögliche Finanzierungsmodelle aufzeigen. Kategorien des Wettlaufs könnten sein:

  • Klimaneutrale Verwaltung
  • Klimaneutrale öffentliche Gebäude
  • Energiesparende Geräte
  • Energie- und ressourceneffiziente öffentliche Beschaffung (Kreislaufführung, Recycling-Anteil etc.)
  • Mobilitätskonzepte

Ein solcher Wettlauf könnte auch binational von Deutschland und Frankreich gestaltet werden.

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Klima- und Umweltaspekte im europäischen Vergaberecht erneut stärken
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Das Deutsch-Französische Zukunftswerk empfiehlt den Regierungen Deutschlands und Frankreichs folgende Maßnahmen zu ergreifen:

Die nationalen Regierungen Deutschlands und Frankreichs sollten sich auf europäischer Ebene gemeinsam dafür einsetzen, dass Aspekte des Klimaschutzes sowie der Umweltfreundlichkeit noch stärker in das öffentliche Vergaberecht integriert werden, und für eine praktische Umsetzung sorgen.

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Keine Sparauflagen für kommunale Klimamaßnahmen
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Der französischen Regierung empfiehlt das Deutsch-Französische Zukunftswerk zusätzlich:

Die Ausgaben für Klimamaßnahmen sollten nicht für die Verpflichtungen gelten, die seit der Konferenz von Cahors 2017 im Rahmen der Beteiligung der Gebietskörperschaften [4] an der Begrenzung der öffentlichen Finanzen in Frankreich eingegangen wurden.

 

[4] Fr.: Collectivités territoriales.

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Kommunale Klimamaßnahmen langfristig finanziell absichern
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Der deutschen Bundesregierung empfiehlt das Deutsch-Französische Zukunftswerk zusätzlich:

In Deutschland sieht der Koalitionsvertrag eine „Verankerung der gemeinsamen Finanzierung von Bund und Ländern zur Klimavorsorge und Anpassung“ vor. Der Bund sollte prüfen, wie Bund-Länder-Vereinbarungen kommunale Klimamaßnahmen finanziell absichern können. Deutschland, im Gegensatz zu Frankreich, muss hier wegen seiner föderalen Struktur innovative Wege finden, die Kommunen als wichtige Klimaakteure zu stärken.

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Empfehlung 1 - Finanzierung kommunaler Klimamaßnahmen neu denken
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