Kommunen eine effektive Überwachung des Klimaschutzes ermöglichen

Accroche / Aufhänger
Treibhausgasemissionen werden bundesweit, aber bisher nur selten auf lokaler Ebene, gemessen. Um die Gebietskörperschaften zur Überwachung und Reduzierung von Emissionen zu befähigen, formuliert das Zukunftswerk Empfehlungen, die von lokalen Praktiken in Deutschland und Frankreich inspiriert sind.
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Légende
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Texte / Text

„Eine unserer größten Herausforderungen bei der Bilanzierung ist die Beschaffung und Qualität von Daten. Und natürlich ihre Aktualität. Bis wir als Kommune die Daten von der für uns zuständigen Arbeitsgruppe „Mittelhessen“ bereitgestellt bekommen, können sie 2-3 Jahre alt sein. Das führt dazu, dass wir kein agiles Controlling Tool mit den jetzigen Bilanzierungsstandards (BISKO) und Verfahren haben. Wenn wir die Bilanzierung als Tool für die Messung des kommunalen Klimaschutzes anwenden möchten, sehen wir uns gezwungen, selbst die Daten, teilweise kostenpflichtig, zu beschaffen.“

Bürgermeisterin und Klimadezernentin Nadine Bernshausen, Universitätsstadt Marburg

Texte d'introduction / Einleitungstext

Die Stadt Marburg hat sich 2019 zum Ziel gesetzt bis 2030 klimaneutral zu werden. Damit sie überprüfen kann, dass die Maßnahmen, die sie in ihrem Klimaaktionsplan verfolgt, auch wirksam sind, bemüht sie sich um ein effektives Klimaschutzmonitoring. Dabei trifft sie jedoch auf vielerlei Herausforderungen, unter anderem nicht verfügbare Daten, Bilanzierungsstandards, die wichtige Bereiche so wie Verkehr oder Konsum ausschließen, sowie fehlende fachliche Unterstützung von außen.

Accordéons
Titel
Begründung
Description / beschreibung

Die Stadt Marburg hat sich 2019 zum Ziel gesetzt bis 2030 klimaneutral zu werden. Damit sie überprüfen kann, dass die Maßnahmen, die sie in ihrem Klimaaktionsplan verfolgt, auch wirksam sind, bemüht sie sich um ein effektives Klimaschutzmonitoring. Dabei trifft sie jedoch auf vielerlei Herausforderungen, unter anderem nicht verfügbare Daten, Bilanzierungsstandards, die wichtige Bereiche so wie Verkehr oder Konsum ausschließen, sowie fehlende fachliche Unterstützung von außen.

In Deutschland und Frankreich bilanziert bereits ein Großteil der Kommunen ihre Treibhausgasemissionen (THG). In Frankreich sind Kommunen mit über 50.000 Einwohner:innen bereits seit 2012, Gemeindeverbände mit über 20.000 Einwohner:innen seit 2020 dazu verpflichtet. In Deutschland bilanzieren bereits ca. 3.000 Kommunen freiwillig.

Bilanzierungen, wenn sie denn auf zuverlässigen Daten aufbauen und regelmäßig durchgeführt werden, können für Kommunen zu einem wichtigen Kompass bei der Erreichung ihrer Klimaschutzziele werden. Sie lassen Erfolge erkennen und können diese sichtbar machen. Sie bilden eine zentrale Grundlage zur Anpassung der kommunalen Reduktionsstrategien, und helfen, weitere lokale Akteure für Klimaschutzstrategien zu mobilisieren.

Bilanzierungsmethoden und leicht zugängliche Daten, wie z.B. in Norwegen oder Großbritannien [1] erlauben den Kommunen, ihre Einsparungen selbst nachzuverfolgen, und ihre Bemühungen um Kohlenstoffsenken darzustellen. Doch stehen die Kommunen momentan bei ihrer Bilanzierung noch vor großen Herausforderungen.

In Deutschland bilanzieren die meisten Kommunen mit dem BISKO Standard und nutzen den „Klima-schutzplaner“, eine Software zur Messung des kommunalen Klimaschutzes. [2] Doch können sie ihr Bilanzierungspotenzial nicht ausschöpfen, da Bilanzierungsziele und -methoden noch nicht genügend ausgearbeitet sind. Des Weiteren stehen notwendige Daten nicht zur Verfügung und es fehlt den meisten Kommunen an beratender Unterstützung zu ihrem Monitoring. In Frankreich gibt es in fast allen Régions regionale Agenturen und Beobachtungsstellen für Energie und Umwelt [3] die das Sammeln von Daten und ihre Verarbeitung begleiten und die Kommunen bei Entwicklung, Umsetzung und Monitoring ihrer eigenen territorialen Strategie unterstützen. Die regionalen Agenturen und Beobachtungsstellen haben sich in Netzwerken organisiert, die von der ADEME und dem französischen Umweltministerium finanziell unterstützt werden. Dennoch fehlt es auch in Frankreich noch an Zugang zu verlässlichen, gereinigten und regelmäßig aktualisierten Daten, sowie an Modellen, die die Wirkungen der Klimaschutzmaßnahmen auf lokaler Ebene nachverfolgen können.

 

[1] Siehe zum Beispiel: https://data.gov.uk/dataset/723c243d-2f1a-4d27-8b61-cdb93e5b10ff/uk-local-authorit[…]ional-carbon-dioxide-emissions-national-statistics-2005-to-2019.

[2] https://www.klimaschutz-planer.de.

[3] In Frankreich existieren derzeit 18 regionale Agenturen und Beobachtungsstellen für Energie und Umwelt (Fr.: Agences et observatoires régionaux de l’énergie et de l’environnement). Die Aufgaben der Agenturen und Beobachtungsstellen variieren von Region zu Regio, teils leisten sie ein Klimasschutzmonitoring auf regionaler Ebene.

Titel
Plädoyer
Description / beschreibung

Um ihre nationalen Emissionsreduktionsziele zu erreichen, sind Deutschland und Frankreich auf lokale Reduktionen und dementsprechend ihre Messung angewiesen. Dafür braucht es Modelle, Methoden und nutzbare Daten, die Kommunen dazu befähigen, eigene Ziele zu setzen und ihren Fortschritt zu messen. Ihr Fortschritt könnte folglich dann bei der Erreichung nationaler Ziele einberechnet werden. Dafür braucht es einen einheitlichen nationalen Rahmen und Standards. Daher fordert das Deutsch-Französische Zukunftswerk die nationalen Regierungen in Deutschland und Frankreich auf, ihre Bemühungen um ein effektives kommunales Klimaschutzmonitoring und dessen Integration in die nationale Bilanzierung erheblich zu intensivieren.

Titre / Titel

Aktionsvorschläge

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Titel
Verfügbarkeit von Daten für die THG Bilanzierung sicherstellen
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Das Deutsch-Französische Zukunftswerk empfiehlt den Regierung Deutschlands und Frankreichs folgende Maßnahmen zu ergreifen:

Die Zugänglichkeit von regionalisierten Daten ist Voraussetzung für ein effektives Klimaschutzmonitoring. Die nationalen Regierungen sollten im Rahmen ihrer Gesetzgebungskompetenzen sicherstellen, dass entsprechende Daten, auch von privaten Akteuren z.B. von Netzbetreibern, zur Verfügung gestellt und in aufgearbeiteter Form zeitnah für die öffentliche Hand verfügbar gemacht werden.

Titel
Internationale Sichtbarkeit kommunaler Klimamaßnahmen zur THG-Reduzierung erhöhen
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Das Deutsch-Französische Zukunftswerk empfiehlt den Regierung Deutschlands und Frankreichs folgende Maßnahmen zu ergreifen:

 

Die nationalen Regierungen sollten sich dafür einsetzen, dass die Beiträge der Kommunen zur THG-Reduktion internationale Sichtbarkeit erhalten, insbesondere im Weltklimarat [4]. Vorbild dafür kann die Darstellung der kommunalen Beiträge für eine nachhaltige Entwicklung im freiwilligen Bericht der Bundesregierung an die Staatengemeinschaft zur Umsetzung der Agenda 2030 von 2021 sein. [5]

 

[4] Intergovernmental Panel on Climate Change (IPCC).

[5] https://repository.difu.de/jspui/bitstream/difu/582001/1/German_VNR_Municipal-contribution_Difu_BertelsmannStiftung.pdf

Titel
Regionale Agenturen und Beobachtungsstellen stärken
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Der französischen Regierung empfiehlt das Deutsch-Französische Zukunftswerk zusätzlich folgende Maßnahmen zu ergreifen:

Die regionalen Agenturen und Beobachtungsstellen für Energie und Umwelt haben ihren Mehrwert für die Klimaschutzbemühungen in den französischen Régions unter Beweis gestellt. Ihre Rolle zur Unterstützung der Kommunen innerhalb der Régions sollte gestärkt werden. Ebenso sollte ihre Kapazität für die Aufbereitung, Verarbeitung und Analyse von Daten nicht nur auf regionaler, sondern auch auf der Ebene der Kommunen gesteigert werden.

Titel
Konvergenz der methodischen Instrumente beschleunigen
Description / beschreibung

Der französischen Regierung empfiehlt das Deutsch-Französische Zukunftswerk zusätzlich folgende Maßnahmen zu ergreifen:

Die französische Regierung sollte außerdem die Konvergenz der methodischen Instrumente, die von den regionalen Agenturen und Beobachtungsstellen für Energie und Umwelt verwendet werden, beschleunigen.

Titel
Bilanzierungsstandards grundlegend überarbeiten
Description / beschreibung

Der deutschen Bundesregierung empfiehlt das Deutsch-Französische Zukunftswerk zusätzlich folgende Maßnahmen zu ergreifen:

Bestehende Bilanzierungsziele, -instrumente und -methoden (insbesondere der BISKO-Standard) sollten grundlegend und weitreichend überarbeitet werden, um eine wirkungsorientierte und regionalisierte Aussagekraft zu erzielen. Der Bund sollte hierbei unter Einbeziehung von Ländern und Kommunen eine federführende Rolle einnehmen. [6] Bei der Überarbeitung geht es insbesondere um die

  • Abkehr von den bisherigen aussageschwachen Faktorisierungen hin zu regionalisierten „Echt-Daten“ und damit der Aufnahme des Verursacherprinzips in die Bilanzierung,
  • die Berücksichtigung nicht nur von THG-Emissionen, sondern auch der Kohlenstoffsenken,
  • die Ausweitung der Bilanzierung auf Scope 3, welche in Frankreich bereits erfolgt ist.

Die so gestärkten kommunalen und regionalen Bilanzen sollten in eine öffentlich einsehbare nationale Übersicht zum Zustand des Klimaschutzes in den Regionen eingefüttert werden. [7]

 

[6] In Anlehnung an die Empfehlungen eines unabhängigen Gutachtens des UBA und DENA.

[7] Siehe das Beispiel in Frankreich, welches bereits für die Ile de France funktioniert: https://www.observatoire-climat-energie.fr/regions/.

Titel
Regionale Beobachtungsstellen nach französischem Vorbild in Deutschland einrichten
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Der deutschen Bundesregierung empfiehlt das Deutsch-Französische Zukunftswerk zusätzlich folgende Maßnahmen zu ergreifen:

In Anlehnung an das französische Modell sollte der Bund gemeinsam mit den Ländern regionale Beobachtungsstellen zur Sammlung von Daten, Begleitung und Beratung der Kommunen einrichten. Über den Grad der sinnvollen Regionalisierung des THG-Monitorings, z.B. die Einbindung der Kreise und die optimale Organisationsform, sollte Einvernehmen zwischen Bund, Ländern und Kommunen hergestellt werden.

Nom
Empfehlung 2 - Kommunen für ein effektives Klimaschutz-monitoring aufstellen
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