Lokale Strategien für die energetische Sanierung stärken

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Luftaufnahme der Pasteur-Insel in Brest
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Halbinsel Pasteur in Brest | Foto: Dronistair/BMa
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In Deutschland und Frankreich bleiben die Sanierungsraten deutlich hinter den nationalen Zielen zurück. Eine zentrale Herausforderung: Es gibt keine für alle Gebäude passende Universallösung. Denn Klima, vielseitige architektonisch-bauliche Traditionen und nicht zuletzt die beteiligten Menschen und Akteure spielen eine große Rolle und unterscheiden sich von Ort zu Ort.
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Eine effektive energetische Gebäudesanierung muss an die örtlichen Gegebenheiten angepasst sein und integriert gedacht werden. Quartiere eignen sich besonders gut für lokale, integrierte Sanierungsansätze: Sie haben eine überschaubare Größe und homogene Voraussetzungen. Kommunen nehmen eine Schlüsselrolle ein, um mit ihrem lokalspezifischen Wissen Sanierungsvorhaben an der Schnittstelle zwischen Quartiersakteuren vorzubereiten und umzusetzen.

Oft fehlt es den Kommunen jedoch an Werkzeugen, wie flexibel anwendbaren Fördermitteln und relevanten Daten, um gezielt handeln zu können. Daher ist es zentral, Instrumente zur Förderung lokalspezifischer und integrierter Sanierungsstrategien zu stärken.

Frankreichs Dekarbonisierungsstrategie sieht vor, dass ab 2030 jährlich mindestens 900 000 Gebäude energetisch ertüchtigt werden, im Vergleich zu weniger als 100 000 Renovierungen im Jahr 2023. Mit dem Ziel eines klimaneutralen Gebäudebestands bis 2045 hat sich die deutsche Regierung vorgenommen, die Sanierungsrate zu verdoppeln, die heute bei rund einem Prozent liegt.“ (Umweltbundesamt, 2024)

 

In Kürze

  • Lokale klimatische, bauliche, wirtschaftliche und soziale Gegebenheiten sollten berücksichtigt werden, um effiziente und auf die örtlichen Bedingungen abgestimmte Sanierungsprojekte zu gewährleisten.
  • Das Förderprogramm KfW 432 hat gezeigt, dass flexible und integrierte Ansätze auf Quartiersebene erfolgreich angewendet werden können. Dies sollte von der deutschen und französischen Regierung aufgegriffen werden.
  • Die Schaffung gebäudespezifischer Datenbanken und die Kombination mit anonymisierten sozioökonomischen Daten ist entscheidend für eine sozialverträgliche Sanierungsstrategie.
Accordéons
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Lokale Inspiration: Der Chemnitzer Brühl
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In Chemnitz hat sich das Gewand des Gründerzeitviertels Brühl seit Anfang der 2010er-Jahre stark verändert: Etwa 90 Prozent der Wohnungen wurden energetisch saniert, die Einkaufspromenade wiederbelebt und ein Niedertemperaturnetz eingerichtet. Mit Erfolg: Der Leerstand wurde – auch dank erschwinglicher Mietpreise – stark reduziert.

Ein zentraler Hebel war das Förderprogramm KfW 432 der Kreditanstalt für Wiederaufbau. Viele deutsche Städte haben es erfolgreich genutzt, bis es Anfang 2024 eingestellt wurde. Das Programm finanzierte für den Chemnitzer Brühl ein integriertes energetisches Quartierskonzept sowie Personal für das Sanierungsmanagement. Für den Brühl konnte es zudem vorteilhaft mit der Städtebauförderung kombiniert werden. Möglich wurde dies durch die Flexibilität und den integrierten Ansatz des Förderprogrammes, welches neben energetischen Aspekten auch übergreifende und soziale Entwicklungsziele berücksichtigt.

Ebenso zentral für die Transformation des Viertels war eine effiziente Nutzung gebäudespezifischer Daten. Die Stadt Chemnitz konnte relevante Daten für die Sanierung der Gebäude aus Archiven der DDR-Verwaltung und in enger Zusammenarbeit mit dem verantwortlichen Energieversorger zusammentragen.

Titel
Dies- und jenseits des Rheins
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In Frankreich sind Energieberater:innen dazu verpflichtet, Energieeffizienzdiagnosen an die französische Umweltagentur ADEME zu übermitteln. Diese Gebäudedaten können von Kommunen abgerufen und mithilfe von Visualisierungstools genutzt werden.

In Deutschland gelang es bisher nicht, ein nationales Gebäude- und Wohnungsregister aufzubauen. Die Novelle der Europäischen Gebäuderichtlinie (EPBD) von 2024 schreibt allen Mitgliedstaaten den Aufbau nationaler Energieausweis-Datenbanken vor.

Chiffres-clés / Schüsselzahlen
Chiffre / Zahl
35 000
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neue Energieausweise werden durchschnittlich jede Woche von Energieberater:innen an die französische Umweltagentur ADEME übermittelt. (Quelle: Data.gouv, 2020)
Chiffre / Zahl
630
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Bis zu 630 Euro konnte 1 Euro Bundesmittel des Förderprogramms KfW 432 für Konzepte energetischer Investitionen im Quartier initiieren. (Quelle: Data.gouv, 2020)
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Unsere Aktionsvorschläge

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Integrierte Sanierungsstrategien auf Quartiersebene stärken
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Seine Flexibilität und Umsetzungsorientierung machten das Förderprogramm KfW 432 zu einer wichtigen Säule für lokale Sanierungsstrategien. Die fachlich zuständigen Bundesministerien für Wirtschaft und Klimaschutz (BMWK) und für Wohnen, Stadtentwicklung und Bauwesen (BMWSB) sollten die Kerngedanken dieses Programms aufgreifen und die notwendigen Schritte zur Stärkung und dauerhaften Sicherung des Quartiersansatzes einleiten.

Dazu gehören:

  • die Bereitstellung von Fördermitteln für ein breitenwirksames Programm nach dem Vorbild des Förderprogramms KfW 432. Dies kann auch erfolgen, indem der Quartiersansatz in bestehende Instrumente wie die Bundesförderung effiziente Gebäude (BEG), die Nationale Klimaschutzinitiative (NKI) oder in nationale Energie- und Klimapläne integriert wird;
  • die Integration des Begriffes „energetisches Quartierskonzept“ in alle relevanten gesetzlichen Grundlagendokumente wie das Gebäudeenergie-gesetz und das Baugesetzbuch, mit dem Ziel, dem Quartiersansatz mehr Verbindlichkeit zu verleihen;
  • die Integration von Suffizienz als strategische Säule. In den Quartierskonzepten und im Rahmen der Sanierungsberatung sollte die sparsame Nutzung von Wohnflächen und Energie berücksichtigt werden. Grund dafür: Derzeit werden Energieeinspar-Effekte durch immer größer werdenden Wohnraum aufgehoben.

Lesen Sie auch die Handlungsempfehlung Effizientere Nutzung von Wohnraum fördern“.

Der französischen Regierung empfiehlt das Zukunftswerk, das Förderprogramm KfW 432 als Vorbild zu nehmen, um den Kommunen mehr Flexibilität bei ihren Sanierungsstrategien auf Quartiersebene einzuräumen. Nationale Programme zur Stadterneuerung in Quartieren mit Entwicklungsbedarf sollten dafür ausgeweitet und innovative Ansätze auf Quartiersebene gefördert werden. Außerdem sollten energetische Quartierskonzepte und Sanierungsprojekte besser mit der Bauleitplanung verschränkt werden.

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Datenbank für lokale energetische Sanierungsstrategien einführen
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Die Einführung einer gebäudespezifischen Datenbank ist notwendig, um die EPBD in nationales Recht zu übertragen und die Sanierungsstrategien lokalspezifisch und sozialverträglich umzusetzen. Dies stärkt die Handlungsfähigkeit der Kommunen, denn mit den Gebäudedaten können sie zielgerichtet energetische Quartierskonzepte entwickeln und begleitende Angebote erarbeiten.

In Anlehnung an das französische Vorbild (siehe unten, EnerSIG-Tool, Rubrik Weitere Inspirationen) empfiehlt das Zukunftswerk der deutschen Regierung:

  • Auskunftspflichten im Bundesrecht zu verankern. Energieberater:innen sollten verpflichtet sein, ihre Energieausweise zu übermitteln. Eigentümerschaften sollten verpflichtet sein, energetisch relevante Daten weiterzugeben. Dazu gehören: Heizung, Baujahr, Bausubstanz und die spezifische Sanierungsempfehlung;
  • Gebäudefragen im Zensus einzuführen, um energetisch relevante Daten von Eigentümer:innen zu erfassen;
  • eine Online-Plattform für Kommunen aufzubauen, die nach dem Pariser Beispiel EnerSIG (s. unten) gestaltet ist. Der Aufbau könnte durch das zuständige Fachministerium (BMWK oder BMWSB) erfolgen. Diese Plattform soll relevante Gebäudedaten mit anonymen sozioökonomischen Daten kombinieren, die vom Statistischen Bundesamt erhoben wurden.

Die französische Regierung hat bereits eine nationale Gebäudedatenbank aufgebaut. Der Zugang zu diesen Daten sollte insbesondere für die zentralen Anlaufstellen, aber auch für andere an Sanierungsvorhaben Beteiligte erleichtert werden.

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Weitere Inspirationen

Contenus des colonnes / Inhalt des Säules
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Luftaufnahme des Stadtteils Saragosse in Pau
Quartier Saragosse in Pau bekommt das Label Écoquartier.
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Für die Auszeichnung als Öko-Quartier haben sich die Akteure vor Ort einer ehrgeizigen Charta ökologischer Ziele verpflichtet. So will die hiesige soziale Wohnungsbaugesellschaft Pau Béarn Habitat 1 400 Sozialwohnungen nach dem höchsten französischen Energieeffizienzstandard renovieren, ohne die Mieten zu erhöhen. Begleitend hat die Stadt Pau öffentliche Infrastrukturprojekte umgesetzt, auch um private Investitionen für das Quartier zu mobilisieren.

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Luftaufnahme der Pasteur-Insel in Brest
Brests Stadtzentrum bezeugt nachhaltige Quartiersentwicklung.
Description / Beschreibung

Die Metropolregion Brest hat im Rahmen eines Projektaufrufs der französischen Regierung ein Sanierungskonzept für seine Innenstadt erarbeitet. In diesem Zuge wurden nicht nur technische Lösungen zur Verbesserung der Energieeffizienz, der Barrierefreiheit und der Begrünung auf Ebene von Häuserblöcken identifiziert, sondern auch Finanzierungs­möglichkeiten entwickelt. Nun braucht es jedoch Mittel für die Mobilisierung der Akteure im Quartier.

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Blick auf einen Kran, der eine Hauswand trägt, bei einer seriellen Sanierung in Erlangen
Erlangen: Serielle Quartierssanierung
Description / Beschreibung

In Erlangen wird bis voraussichtlich 2026 ein umfangreiches Sanierungsprojekt umgesetzt, das mehrere Quartiere mit über 750 Wohneinheiten umfasst. Dank einer innovativen Herangehensweise, verfügbaren Daten und einer homogenen Gebäudesubstanz kann eine effiziente serielle Sanierung im Quartier umgesetzt werden.

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Screenshot der Website gorenove.de von einer Karte mit der Diagnose der Energieeffizienz von Gebäuden
Visualisierung der Gebäudedaten in Frankreich
Description / Beschreibung

In Paris wurde das EnerSIG-Tool entwickelt, das Gebäude-, Energie- und sozioökonomische Daten zusammenführt. Die Stadtverwaltung kann darauf zurückgreifen, um Quartiere mit ähnlichen Merkmalen zu identifizieren und Ressourcen entsprechend einzusetzen. Auf nationaler Ebene werden die Gebäudedatenbanken durch die obligatorische Übermittlung von Energieeffizienzdiagnosen und das nationale Register der Eigentümer:innengemeinschaften gespeist. Diese werden dann in verschiedene Visualisierungstools integriert, wie zum Beispiel die Plattform Go Rénove, die alle Energieeffizienzdiagnosen nach Adressen auflistet.

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Politische Handlungsempfehlung - Lokale Strategien für die energetische Sanierung stärken
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