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„Wir müssen gemeinsam Lösungen für Flächenkonkurrenz finden“

État / Zustand
München | Sophie Holzer im Gespräch
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Eine weiblich gelesene Person mit blonden schulterlangen Haaren und schwarz-weiß gestreiftem Pulli steht vor einem Gebäude auf einer Treppe.
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Sophie Holzer | Foto: Elena Knuth-Pollok
Accroche / Aufhänger
Für Sophie Holzer ist die Begrünung der Städte notwendiger denn je. Die Landschaftsarchitektin hat als Mitglied der deutsch-französischen Resonanzräume an den Handlungsempfehlungen mitgearbeitet, die das Zukunftswerk im Januar 2024 veröffentlicht. Im Gespräch mit Thomas Spinrath spricht sie über die Bedeutung von Fläche und das Potenzial von Experimentierlösungen.
Date de publication / Veröffentlichungsdatum
11.01.2024
Contenu / Inhalt
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Interview geführt von Thomas Spinrath
Übersetzung ins Französische von Marie Millot-Courtois und Marion Davenas

 

Sophie Holzer, Sie sind eine deutsch-französische Grenzgängerin. Viele Jahre haben Sie bei Landschaftsplanungsbüros große Freiraumprojekte in Frankreich betreut. Heute arbeiten Sie als fachliche Koordinatorin in der Grünordnungsplanung für die Landeshaupstadt München. Gibt es Tage, an denen Sie beruflich gerne wieder nach Frankreich zurückkehren würden?

Ich arbeite gerne dort, wo ich lebe. Bevor ich zur Landeshauptstadt München gekommen bin, habe ich in einem deutschen Büro gearbeitet und bin jahrelang für Projekte in französische Kommunen gereist. Ich wollte mich dann stärker der Nachhaltigkeit und der Klimaanpassung hier vor Ort in München widmen. So bin ich in die städtische Grünplanung gewechselt. Die Resonanzräume waren für mich nun eine schöne Gelegenheit, wieder einen Einblick in die Arbeit der französischen Kommunen zu bekommen und voneinander zu lernen.

Seit April 2023 haben Sie mit den anderen Mitgliedern der deutsch-französischen Resonanzräume in mehreren Treffen intensiv an den neuen Handlungsempfehlungen des Zukunftswerks gearbeitet. Den Ausgangspunkt für die Arbeit daran bildeten konkrete lokale Erfahrungen. Welches lokale Projekt aus der Münchner Grünplanung haben Sie eingebracht?

Ich betreue unter anderem eine der sogenannten Parkmeilen – für uns Schlüsselprojekte der Konzeption Freiraum München 2030. Parkmeilen sind Grünzüge, die von der Innenstadt in die Außenbereiche von München führen. Die Grünzüge vernetzen die Innenstadt mit dem äußeren Grüngürtel, stärken die Biodiversität, sind wichtig für die Erholungsnutzung und bieten Anreize dafür, auf aktive Formen der Mobilität umzusteigen. Als erstes Projekt haben wir die Masterplanung des Feldmochinger Angers entwickelt. Das ist ein zwei Kilometer langer Grünzug, der verschiedene, auch neue Erholungsmöglichkeiten bietet. Zwei Jahre lang konnten wir im Rahmen des Post-Corona-Projektes die Qualitäten dieses Freiraums durch temporäre Aktionen und Experimentierlösungen aufzeigen und testen. Diese temporäre Umgestaltung half uns, eine hohe Bürgerbeteiligung zu ermöglichen.

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Aktionstage in den Münchner Parkmeilen | PlanTreff München
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Wie genau hat Ihnen die temporäre Experimentierlösung bei der Umsetzung geholfen?

Durch die zeitlich begrenzten Aktionen wie zum Beispiel Themenspaziergänge, Sportaktivitäten, Gärtnern oder unseren Landwirtschaftslehrpfad konnten wir ein Umdenken ermöglichen. Menschen vor Ort, aber eben auch die Politik haben erlebt, wie wichtig dieser Grünraum ist. Es sollte aber immer unser Ziel sein, solche Maßnahmen zu verstetigen. Es geht um Umweltgerechtigkeit: Wir müssen auf Dauer wichtige Grünvernetzungen für die Klimaanpassung und die Biodiversität erhalten und den Boden für ausreichend Grün- und Freiräume für alle in der Stadt sichern.

Témoignage / Text
„Begrünung braucht Fläche und Fläche braucht die entsprechenden Budgets.“
Auteur / Autor
Sophie Holzer
Texte / Text

Wie spiegeln sich die Erfahrungen aus diesem Projekt nun in den Handlungsempfehlungen des Zukunftswerks wider?

Begrünung braucht immer Fläche. Ein Großteil des Feldmochinger Angers gehört schon der Stadt München. Es gibt jedoch Grundstücke, die in Privatbesitz sind. Deswegen war ein Ausbau zu einem Park bis dato nicht möglich, obwohl diese Idee des Grünzuges schon seit den 1990er-Jahren bestand. Wir konnten nur teilweise ausbauen. Ganz allgemein gilt: Damit Kommunen Fläche erwerben können, brauchen sie bessere Instrumente beziehungsweise muss die Nutzung bestehender Instrumente erleichtert werden. Zudem müssen die entsprechenden Budgets bereitgestellt werden. Das findet sich in mehreren Handlungsempfehlungen wieder. Gerade kleinere Kommunen sollten darin unterstützt werden, ihren Grünbestand und ihre Potenziale zu erfassen, Flächen zu aktivieren oder zu erwerben und dann eine Begrünung zu realisieren und zu sichern. Die konsequente Freiraumentwicklung und Begrünung der Städte muss eine gemeinsame Aufgabe von Kommunen, Bund und Ländern sein. 

Gerade dicht bebaute Städte sind mit vielfältigen Nutzungskonkurrenzen konfrontiert. Sie benötigen nicht nur Fläche für Begrünung, sondern auch für Mobilität und Wohnen. Wie wurde die Vielfalt dieser Themen in den interdisziplinären Workshops der Resonanzräume adressiert?

Jede Workshopgruppe arbeitete an einem eigenständigen Thema, zum Beispiel zu Freiräumen oder Stadtbegrünung. Es gab jedoch Momente, wo wir themenübergreifend einen Blick auf alle Handlungsempfehlungen geworfen haben. So konnte ich mich beispielsweise auch mit den Empfehlungen zu Mobilität, die in einer anderen Untergruppe erarbeitet wurden, auseinandersetzen und Nachfragen stellen. Das fand ich sehr wichtig und hat neue Impulse gegeben. Denn auch wenn wir in meiner Gruppe auf die Begrünung der Städte geschaut haben, ist klar: Der Mobilitätsumbau braucht ebenso Fläche und wir benötigen auch mehr bezahlbaren Wohnraum. Das gleiche gilt für Klimaschutzmaßnahmen wie den Ausbau von Photovoltaik. Man muss gemeinsam mit den verschiedenen Fachplanungen der Kommunalverwaltung sowie der Stadtgesellschaft nach innovativen Lösungen zur Bewältigung dieser Flächenkonkurrenzen suchen. Außerdem müssen wir die parallele Nutzung nicht ausgelasteter Flächen durch verschiedene Akteur:innen ermöglichen. In meiner täglichen Arbeit in der integrierten Bauleitplanung geht es genau darum. Das Sichern und Entwickeln von Grünräumen ist eine Querschnittsaufgabe für Kommunen.

Témoignage / Text
„Die Resonanzräume haben eine Fortsetzung verdient.“
Auteur / Autor
Sophie Holzer
Texte / Text

Konnten Sie Impulse von französischen Kommunen mitnehmen, wie Klimaanpassung und Begrünung als Querschnittsaufgaben gedacht werden können?

Die Stadt Paris plant eine nach Grundstücksgröße gestaffelte Quote unversiegelter Fläche, pleine terre heißt das auf Französisch. Das war zum Beispiel ein Thema, was ich sehr spannend fand. Die Resonanzräume haben wirklich Lust gemacht, da weiter einzusteigen und die innovativen Ansätze der anderen Kommunen noch besser kennenzulernen. Hier stellt sich mir die Frage: Ist das nur in Paris realisierbar oder könnten wir das auch auf deutsche Kommunen übertragen? Ich würde mir wünschen, dass das Zukunftswerk weiter an den Fragen der Klimaanpassung und des Umgangs mit Flächenkonkurrenzen dranbleibt. Hier steckt noch viel Potenzial drin, die Handlungsempfehlungen weiter zu vertiefen und als Kommunen im deutsch-französischen Austausch voneinander zu lernen. Das hat eine Fortsetzung verdient.

 

Vielen Dank für das Gespräch!

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Zur Person

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Sophie Holzer studierte Landschaftsarchitektur an der TU Dresden und der École Nationale Supérieure de Paysage (ENSP) in Versailles. Nach verschiedenen Stationen bei Planungsbüros in Paris und in Deutschland wechselte sie 2020 in das Referat für Stadtplanung und Bauordnung der Landeshauptstadt München. Dort arbeitet sie seit 2023 als fachliche Koordinatorin in der Grünordnungsplanung in der integrierten Bauleitplanung.