Kompetenz der Kommunen und ihrer Partner:innen für die Wärmewende stärken
Die Dekarbonisierung der Wärmeversorgung ist komplex. Kommunen müssen zunächst verfügbare und bezahlbare Wärmequellen ermitteln. Wenn sie dabei proaktiv eine geeignete Betreiberkonstellation für ihre Wärmeversorgung finden – sei es mit einem privaten Versorger, einer Genossenschaft oder einem kommunalen oder interkommunalen Unternehmen – können sie stärker auf die Sozialverträglichkeit für ihre Bürger:innen achten.
Eine erfolgreiche Umsetzung der Wärmewende erfordert praxisnahe und wirtschaftliche Planung, Moderationskompetenzen und die Einbindung vieler Akteur:innen. Auch die Finanzierungspartner der Kommunen benötigen Schulungen. Denn für die Bedeutung von Wärmenetzen als zentrale Infrastruktur, für ihre Wirtschaftlichkeit und für eine realistische Risikoprofileinschätzung gibt es dort noch zu wenig Bewusstsein.
In Kürze
- Insbesondere kleinen Kommunen fehlt es häufig an eigenen (Personal-)Ressourcen und an Expertise, um die Herausforderungen der Wärmewende zu stemmen.
- Um das kommunale Handeln in diesem Bereich zu stärken, sollten Deutschland und Frankreich ein verbessertes Beratungsangebot schaffen.
- Die Bedeutung von Banken als Partner in der kommunalen Wärmewende sollte gestärkt werden, auch durch gezielte Schulungen für Mitarbeiter:innen.
- Zusätzlich braucht es mehr Fachkräfte, zum Beispiel in der Geothermiebranche.
Die Stadt Tamm (12 000 Einwohner:innen) im Landkreis Ludwigsburg zeigt, wie es gehen kann: Im Schnelltempo von 15 Monaten hat sie einen ersten 1,5 Kilometer langen Abschnitt eines klimaneutralen Wärmenetzes gebaut, das die Einwohner:innen mit bezahlbarer Wärme versorgt. Entscheidend für die erfolgreiche Umsetzung des Projekts war die regionale Energieagentur im Landkreis Ludwigsburg (LEA). Sie berät die Stadt Tamm seit Projektbeginn, entwickelte das Wärmewendekonzept und begleitet den Ausbau fachlich.
So gründete die Stadt im Januar 2022 ein zu 100 Prozent kommunales, gemeinnütziges Stadtwerk. Dank der Beratung der LEA konnten auch EU-Fördermittel für die Umsetzung akquiriert werden. Im November 2023 richtete Tamm ein eigenes Klimaschutzamt mit drei Mitarbeitenden ein, deren Aufgabe unter anderem der Ausbau erneuerbarer Energien ist.
Das Beispiel zeigt den großen Mehrwert, den beratende Akteure wie regional tätige Energieagenturen für Kommunen bieten können: Sie unterstützen kommunale Verwaltungen bei der Umsetzung der Wärmewende und sorgen für den regionalen Transfer von Erfahrungen und Know-how.
In Frankreich unterstützt die nationale Umweltagentur ADEME die nationalen energiepolitischen Ziele auf lokaler Ebene. Sie begleitet die Kommunen, Unternehmen und Bürger:innen fachlich. Darüber hinaus verfügt ADEME im Unterschied zur nationalen Deutschen Energie-Agentur (dena) und den deutschen regionalen bzw. Landesenergieagenturen über eigene finanzielle Mittel. Der Wärmefonds (Fonds Chaleur) von ADEME ist für das Jahr 2024 mit 820 Millionen Euro ausgestattet.
Unsere Aktionsvorschläge
Die meisten Kommunen benötigen externe Hilfe, da ihnen Ressourcen und Expertise fehlen, um die Herkulesaufgabe der Wärmewende zu bewältigen. Der vielfältige Unterstützungsbedarf der Kommunen wird derzeit nur unzureichend abgedeckt.
Deutschland und Frankreich sollten bewährte und neue Beratungsangebote etwa von Energieagenturen oder Kompetenzzentren in zentralen Anlaufstellen auf Länderebene bündeln und Kommunen proaktiv und umfassend beraten, insbesondere um ihre Finanzkompetenz zu verbessern. Eine Verknüpfung mit den bis 2026 geplanten zentralen Anlaufstellen für die Gebäudesanierung bietet sich an.
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Vor allem kleine Kommunen sollten zur Auswahl von geeigneten Betreibermodellen beraten werden, insbesondere zu Varianten in gemeinnütziger und/oder kommunaler Trägerschaft. Zusätzlich sollte die Vernetzung zwischen Kommunen gefördert werden, insbesondere um kommunale Finanzverwaltungen darin zu bestärken, zukunftsweisende Investitionen zu tätigen. Parallel dazu sollten auch die Kommunalaufsichten für notwendige Handlungsspielräume der Kommunen in der Wärmeversorgung sensibilisiert werden.
Viele Kommunen in Deutschland können zum Zeitpunkt der Erstellung der Wärmeplanung schwer abschätzen, in welche erneuerbaren Wärmequellen ohne Bedenken investiert werden kann. Die unterschiedlichen Interessen der beteiligten Akteure und der Zeitdruck erschweren zudem Investitionsentscheidungen, die vor Abschluss der Planung getroffen werden müssen.
Für die Auswahl geeigneter erneuerbarer Wärmequellen gibt die französische Umweltagentur ADEME eine „Hierarchie der Energiequellen“ vor, die in geförderten Wärmeprojekten berücksichtigt werden muss. Um deutschen Kommunen sowohl technologische Leitplanken als auch Flexibilität zu gewährleisten, sollte die systematische Nutzung und Anwendung bereitstehender Hilfestellungen wie der Leitfaden Wärmeplanung sowie der zugehörige Technikkatalog bei der Erstellung kommunaler Wärmepläne und der Beantragung von BEW-Förderung empfohlen werden.
Bund und Länder sollten außerdem klarstellen, dass Wasserstoff für Heizungen und Warmwasser nur sehr begrenzt verfügbar sein wird. In Kombination mit der Nutzung der genannten Instrumente soll so zielgerichtet die Investition in sogenannte No-regret-Technologielösungen in Kommunen angeregt werden.
Vielen Banken fehlt es bisher an Erfahrung und Kompetenz bei der Finanzierung von Wärmenetzen und erneuerbarer Wärmeversorgung. Vor allem regional tätige Kreditinstitute wie Sparkassen und Genossenschaftsbanken sind gute Partner für die kommunale Wärmewende, zeigen sich bei deren Finanzierung aber oft zurückhaltend. Denn die Projekte sind komplex und sehr unterschiedlich: So soll beispielsweise in Potsdam Erdgas durch Tiefengeothermie ersetzt werden, während in Greifswald die Nutzung von Abwärme in den Blick genommen wird. In beiden Städten stellt die Finanzierung der Infrastrukturprojekte eine große Herausforderung dar.
Deutschland und Frankreich sollten daher Schulungen für Mitarbeitende von Banken zur Finanzierung von Wärmenetzen und zum Aufbau von Risikokompetenz anbieten. Diese Schulungen sollten durch ein Konsortium der Landesförderbanken und Landesenergieagenturen sowie dem Verband öffentlicher Banken (VÖB) angeboten werden. Das Konsortium sollte dafür mit entsprechenden Mitteln ausgestattet werden.
Die Schulungen könnten parallel dazu dienen, die öffentliche Bürgschaftsmodelle, die es ergänzend braucht, bekannter zu machen. So könnte die Wärmewende erheblich an Tempo gewinnen.
Lesen Sie in dem Kontext auch die Handlungsempfehlung Finanzierung der kommunalen Wärmewende erleichtern.
Die Nutzung der Geothermie, die an zweiter Stelle der „Hierarchie der Energiequellen“ der französischen Umweltagentur ADEME für eine dekarbonisierte Wärmeversorgung steht, ist besonders stark durch einen Fachkräftemangel beeinträchtigt. Allein die Tiefengeothermie könnte in Deutschland 25 Prozent des Gesamtwärmebedarfs decken. Doch dazu braucht es Fachkräfte für Planung und technische Umsetzung in der Geothermiebranche. Der Bedarf wird auf fünf bis zehn Vollzeitstellen pro MW installierter Leistung geschätzt (Fraunhofer IEG, 2022). Es fehlt außerdem an Ausbildungsmöglichkeiten. Die Regierungen in Deutschland und Frankreich sollten daher im Rahmen ihrer Wirtschaftsförderung Ausbildungsprogramme für die Geothermie voranbringen.
Zudem sollte die deutsch-französische Zusammenarbeit insbesondere in der Grenzregion Oberrheingraben gestärkt werden, die auf beiden Seiten des Rheins vergleichbare geologische Voraussetzungen bietet. Gemeinsame Forschung zur Potenzialkartierung sowie die Entwicklung gemeinsamer Versicherungslösungen könnten zur regionalen Akzeptanz beitragen und die Entwicklung von Tiefengeothermie in der Region beschleunigen.
Weitere Inspirationen
Das KWW ist ein Projekt der Deutschen Energie-Agentur GmbH (dena) und steht den Kommunen bundesweit bei der Gestaltung ihrer Wärmeplanung zur Seite. Mit praktischen Vorlagen für Ausschreibungen und Vergaben im Musterleistungsverzeichnis wird der Einstieg erleichtert. Das Dienstleisterverzeichnis ist ein Suchportal, mit dem Kommunen passende, referenzierte Dienstleistungsunternehmen finden können. Ein Datenkompass erleichtert die Beschaffung relevanter Daten. Ein Technikkatalog hilft bei der Berechnung technisch-wirtschaftlicher Aspekte. Mit dem Leitfaden Wärmeplanung hat das KWW in Halle zudem auch Empfehlungen zur Herangehensweise und Methodik der Wärmeplanung aufgestellt.
Die interaktive Karte zeigt den Wärme- und Kältebedarf der Gebäude, die Produktions- und Speicherinfrastrukturen, die bestehenden Netze sowie die mobilisierbaren Potenziale erneuerbarer Wärme und Kälte auf. Die öffentlich zugänglichen Daten unterstützen Kommunen dabei, Entscheidungen für ihre Wärmeplanung zu treffen und lokale Netze zu entwickeln.
Die IB.SH Energieagentur ist Teil der Investitionsbank Schleswig-Holstein. Sie berät Kommunen und Bürger:innen zu Förderung und Finanzierung von Klimaschutz- und Energiewendemaßnahmen. Diese deutschlandweit einmalig enge Verknüpfung zwischen Beratung und Finanzierung ermöglicht eine schnellere und präzisere Entscheidungsfindung über Darlehen für entsprechende Projekte. Darüber hinaus bietet sie der Energieagentur die Chance, Projekte auch über die Initialberatung hinaus während der Umsetzung weiter zu begleiten. Dadurch gewinnt die IB.SH Energieagentur wertvolle Erkenntnisse über Erfolgsfaktoren, die die künftigen Beratungen bereichern.
Geotis ist ein Online-Informationssystem, das vom Leibniz-Institut für Angewandte Geophysik (LIAG) betrieben wird. Es bietet Daten zum tiefen und oberflächennahen Geothermiepotenzial in Deutschland. Die Plattform enthält Untergrundmodelle in Form von Karten sowie Berichte und technische Informationen über existierende geothermische Standorte, aktuelle Bohrungen und geplante Projekte.
Mitglieder sind Kommunen, die in der kommunalen Wärmeplanung aktiv sind und die Wärmewende lokal vorantreiben. In einem gemeinsamen Raum lernen sich Kommunen mit ähnlichen Rahmenbedingungen, Herausforderungen und Fragestellungen kennen und profitieren von gemeinsam entworfenen Lösungsansätzen.