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Grünspitz – das erweiterte Wohnzimmer von Giesing

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Flohmarktszene auf dem Grünspitz
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Mitten in Giesing wurde mit dem Grünspitz ein gemeinwohlorientierter Freiraum geschaffen. Foto: KulturVERSTRICKUNGEN e.V.
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Grüne Oase, sozialer und kultureller Treffpunkt – mitten im dicht bebauten Münchner Stadtteil Obergiesing befindet sich der Grünspitz. Die Zwischennutzung wurde durch die Partnerschaft von Stadtverwaltung und dem Verein Green City e.V. möglich. Der gemeinwohlorientierte Freiraum soll nun dauerhaft gesichert werden.
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Wer in Obergiesing aus der U-Bahn steigt, wird mit lautem Verkehrslärm konfrontiert. Autos und breite Straßen prägen an vielen Orten das Stadtbild. Dennoch finden sich auch im dicht bebauten Münchner Südosten kleine Freiräume wie der Giesinger Grünspitz. Zwischen zwei spitz zulaufenden Straßen gelegen, ist der Platz geprägt von großen alten Kastanienbäumen. Dazwischen erspäht man eine einladende bunte Bestuhlung, Hochbeete und einen kleinen Kiosk. Viele Menschen schätzen den Ort, ob Familien oder die Fußballfans von 1860 München, dessen Stadion nur unweit gelegen ist. „Der Grünspitz ist ein Ort für alle. Auch für Menschen in prekären Lagen, die sonst keinen Aufenthaltsort in der Stadt finden. Das ist die Qualität des Platzes“, erzählt Christina Pirner, die für den Verein Green City e.V. arbeitet. Der Verein hat die Fläche von der Stadt gepachtet und koordiniert die Gartenprojekte, Kulturveranstaltungen und die Reinhaltung des Platzes.

Städtebauförderung hat den Anschub gegeben

So lebendig, wie der Grünspitz heute genutzt wird, sah er aber nicht immer aus. Noch bis vor 10 Jahren pachtete ein Autohändler das Gelände von der Stadt, der den Platz als Park- und Ausstellfläche nutzte. Erst seit 2014 befindet sich die Fläche in öffentlicher Nutzung. Im Rahmen des Bund-Länder-Städtebauförderprogramms Soziale Stadt suchte die Stadt in Obergiesing Orte, die die Anwohnenden als attraktive Freiräume gestalten und nutzen konnten. So bekam die dreieckige Brachfläche die Aufmerksamkeit der Stadt. „Ohne das Förderprogramm Soziale Stadt wäre der Grünspitz nicht entstanden. Es brauchte die Initiative aus der Verwaltung heraus“, berichtet Pirner. Um die Fläche gemeinsam mit den Menschen vor Ort zu aktivieren und nach den Bedürfnissen der Anwohnenden zu gestalten, suchte die Verwaltung nach erfahrenen zivilgesellschaftlichen Akteur:innen. „Und da kam unser Verein Green City als Partner für die Stadt ins Spiel, weil wir die Erfahrung mitbringen konnten, Freiräume partizipativ zu gestalten“, erläutert sie weiter. Mit Mitteln aus dem Städtebauförderprogramm konnte Green City die Fläche als Zwischennutzung beleben, Ideenwerkstätten durchführen und gemeinsam mit Anwohnenden und Studierenden Hochbeete, Liegestühle aus Holz sowie ein Boulespielfeld herstellen. Eines war den Anwohnenden besonders wichtig: Es soll zwar einen Kiosk geben, dessen Infrastruktur besonders für Kulturveranstaltungen entscheidend ist. Gleichzeitig müssen Menschen sich auch ohne Geld jederzeit auf dem Grünspitz aufhalten können.  

Städte wie München brauchen Freiräume im Quartier

Dass solche gemeinwohlorientierten Freiräume nah an der eigenen Wohnung für viele Menschen wichtig sind, zeigt nicht zuletzt die kürzlich von der Stadt München veröffentliche Freiraumstudie. 68 Prozent der befragten Münchner:innen nutzen Freiräume in ihrem eigenen Viertel mehrfach pro Woche, während der Grüngürtel am Standrand nur von 10 Prozent der Befragten häufig genutzt wird. In dicht besiedelten Städten wie München, deren Bevölkerung wächst und die einen steigenden Bedarf an Wohnraum haben, ist somit eine erfolgreiche dreifache Innenentwicklung notwendig. Neben dem Bau bzw. der Sanierung von Wohnraum braucht es Angebote sanfter Mobilität sowie attraktive Grünräume und Aufenthaltsflächen. Auch beim Giesinger Grünspitz zeigt sich die Flächenkonkurrenz zwischen dem Bedarf an Freiräumen und bezahlbarem Wohnraum. Der vordere Teil des Grünspitzes soll zu einer Grünfläche umgewandelt werden und somit dauerhaft als Freiraum verfügbar sein. Das städtische Baureferat hat Pläne vorgelegt, in die viele Wünsche aus den von Green City organisierten Ideenwerkstätten eingeflossen sind. So wird das Urbane Gärtnern beispielsweise erhalten bleiben. Für den hinteren Teil des Grünspitzes, auf dem sich der Kiosk befindet, gibt es jedoch ein bestehendes Baurecht. Die Stadt möchte sich hier die Möglichkeit bewahren, die Fläche an eine ihrer städtischen Wohnungsbaugesellschaften zu übergeben und sozialen Wohnungsbau errichten zu können. Daher wird der hintere Bereich nicht Teil der öffentlichen Grünfläche.  

Verstetigung erfordert integrierte Governance

Diese baurechtliche Teilung des Platzes führt dazu, dass verschiedene städtische Referate für die künftige Nutzung der Fläche zuständig sind. Während beispielsweise das Baureferat für die Grünfläche im vorderen Bereich zuständig sein wird, ist für den hinteren Bereich das Kommunalreferat verantwortlich. Wenn nun beispielsweise darüber diskutiert wird, wie der Wasseranschluss und die Toiletten erhalten werden können, die für die vielfältige Fläche unabdingbar sind, müssen die Referate dies untereinander aushandeln. Hier kommt Handlungsraummanager Robert Kulzer ins Spiel. Der städtische Mitarbeiter hat die Aufgabe, im Handlungsraum 3 im Münchner Osten die Zusammenarbeit der verschiedenen städtischen Referate und lokalen Akteur:innen bei Projekten wie dem Grünspitz zu unterstützen. So ermöglichte Kulzer mit seiner Vermittlungsarbeit beispielsweise, dass die Zwischennutzung des Grünspitz durch mehrere städtische Referate weiterfinanziert wurde, nachdem die Städtebauförderung auslief. „Der Giesinger Grünspitz ist in München wahrscheinlich einmalig, aber ganz typisch für Giesing. Mit dem Handlungsraum wollen wir mithelfen, dass der Grünspitz auch weiterhin als Treffpunkt, Veranstaltungsort und erweitertes Wohnzimmer funktioniert“, erläutert Kulzer die Bedeutung seiner Arbeit.

Um die Stadt München bei den Herausforderungen der integrierten Zusammenarbeit, wie beispielsweise am Grünspitz, zu unterstützen, hilft die begleitende Feldforschung des Zukunftswerk der Verwaltung, den Ansatz der Handlungsräume zu reflektieren und weiterzuentwickeln. Ist dieser Ansatz ein effektives Planungsinstrument, um Zielkonflikte in der Stadtentwicklung zu moderieren? Im Herbst wird die Analyse veröffentlicht. Bereits jetzt helfen uns die Erfahrungen des Giesinger Grünspitz als Diskussionsgrundlage für die Erarbeitung von politischen Handlungsempfehlungen in den Deutsch-Französischen Resonanzräumen ab April 2023.

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Grünspitz

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Ein Platz mit großen Kastanienbäumen, darunter links ein mit Blättern bedeckter Bouleplatz, rechts Hochbeete und Menschen, die an Gartentischen sitzen.
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Zusammen mit Anwohnenden und Studierenden wurde der Platz bunt möbliert: mit Hochbeeten, Sitzgelegenheiten und einer Boulebahn. Foto: Green City e.V.
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Ein Platz mit großen Kastanienbäumen, darunter Kies, hinten rechts im Bild ein Holzpavillon mit einem Kiosk.
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Die hintere Hälfte des Grünspitzes, auf der sich der Kioskpavillon befindet, wird nicht zur Grünfläche umgewidmet. Die Stadt München hat hier ein Baurecht für Sozialwohnungen. Foto: Green City e.V.
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Der Platz des Grünspitz
Platz Grünspitz
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Durch zahlreiche kulturelle Veranstaltungen wie Sommerfeste, Flohmärkte oder Konzerte wurden die Anwohnenden aktiviert, den Grünspitz als ihr erweitertes Wohnzimmer zu nutzen. Foto: Jonas Nefzger, MGS
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Portrait Thomas Spinrath
Thomas Spinrath

Foto: A. Birkenholz/MVHS

Thomas Spinrath ist Politikwissenschaftler und Transformationsforscher und arbeitet als wissenschaftlicher Mitarbeiter beim Deutsch-Französischen Zukunftswerk. Er begleitet in ko-kreativen Forschungsprozessen Städte auf dem Weg der sozial-ökologischen Transformation. Thomas Spinrath hat einen M.A. in Transformationsstudien (Europa-Universität Flensburg) und einen B.A. in Politik und Gesellschaft (Universität Bonn). Er ist Alumnus des europäischen Programms DialoguePerspectives. Discussing Religions and Worldviews. 

https://www.rifs-potsdam.de/de/menschen/thomas-spinrath

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Portrait Marion Davenas
Marion Davenas

Marion Davenas ist seit Januar 2021 wissenschaftliche Mitarbeiterin beim Deutsch-Französischen Zukunftswerk. Sie hat Politikwissenschaften an der Sciences Po Paris und an der Freien Universität Berlin studiert. Ihr Schwerpunkt lag dabei auf Postkolonialismus, Rassismuskritik und kritisches Weißsein. Vor ihrer Tätigkeit für das Zukunftswerk arbeitete sie sieben Jahre für zivilgesellschaftliche Organisationen im Bereich der diskriminierungskritischen Bildung. Seit 2019 ist sie zertifizierte Mediatorin. Im Deutsch-Französischen Zukunftswerk liegt ein Schwerpunkt ihrer Arbeit auf der Konzeption und Moderation von Dialogveranstaltungen mit und für Akteur:innen der sozial-ökologischen Transformation. Sie begleitet und unterstützt kollaborative und ko-kreative Prozesse und setzt interaktive und partizipative Methoden ein, um Räume für Dialog, Austausch und gegenseitiges Lernen zu schaffen.

https://www.rifs-potsdam.de/de/menschen/marion-davenas

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