Eintauchen in die Welt der energiepositiven Gebiete
Von Arthur Frantz
Übersetzung ins Deutsche von Annette Kulzer
In einem nationalen Netzwerk unter der Leitung des französischen Netzwerks für die Energiewende CLER – Réseau pour la transition énergétique, vereinen sich Gebietskörperschaften, Verbände und Energiegenossenschaften, die sich gemeinsam für den energiepositiven Ansatz stark machen. Vom 26. bis 28. September 2023 trafen sich deren Vertreter:innen bei einer landesweiten Zusammenkunft, den dreizehnten Rencontres Nationales TEPOS, im französischen Gemeindeverband Communauté de Communes des Monts du Lyonnais – genauer gesagt in dem kleinen Ort Pomeys. Das Deutsch-Französische Zukunftswerk nutzte die Gelegenheit, um diesen Ansatz, der auf regionalen Erfahrungen aufbaut, genauer zu untersuchen und erfolgreiche Initiativen näher kennenzulernen.
Gemeinschaftliches Lernen und weitere Einflussmöglichkeiten
In ihrem Grußwort an die Teilnehmenden des TEPOS-Treffens betonte die französische Ministerin für Energiewende, Agnès Pannier-Runacher: „Wir brauchen ein Netzwerk lokaler Akteur:innen in allen Teilen unseres Landes, um Umweltschutz und Energiewende in die Realität umzusetzen.“ Die über 400 Interessierten brachten konkrete Erfahrungen, bewährte Praktiken und wichtige Fragen mit, die die drei Arbeitstage füllten.
Das Programm umfasste Konferenzen zu aktuellen Themen wie Energieeinsparung und Bekämpfung der Energiearmut, ebenso wie Workshops zu technischen Fragen. Diese jährlichen Treffen dienen nicht nur dem Erfahrungsaustausch, sondern auch dazu, Herausforderungen und Hebel auf lokaler Ebene zu identifizieren. Dies hilft dabei, einen politischen und rechtlichen Rahmen zu schaffen, der regionale Initiativen für die Energiewende begünstigt. Die gemeinsam erarbeiteten Beiträge fließen unter anderem in die Beratungstätigkeiten des CLER auf nationaler Ebene ein. Außerdem unterstützt der CLER das Netzwerk das ganze Jahr über durch Onlinesitzungen, thematische Arbeitsgruppen, Schulungen und andere innovative Weiterbildungstools.
Während des Mittagessens trafen sich die Mitglieder des Zukunftswerks mit der Delegation aus Loos-en-Gohelle, einer französischen Partnerkommune aus dem ersten Arbeitszyklus. Die Vertretungen der Verwaltung von Loos setzen sich für eine umfassende sozial-ökologische Transformation ein, die durch eine partizipative Kulturpolitik vorangetrieben wird. Daher nahmen sie im Anschluss an einem Workshop über die Narrative des Wandels teil, die für die Partizipation von Bürger:innen und eine verbesserte Akzeptanz der Bevölkerung unerlässlich ist. Die Kommune war von dem Potenzial des TEPOS-Netzwerks, Wissen zu lokalen Transformationen in großem Maßstab zu teilen und zu verbreiten, begeistert, und beschloss, das nächste Treffen im Jahr 2024 auszurichten.
Energiepositive Gebiete: ganz konkret
Der Gemeindeverband Communauté de Communes des Monts du Lyonnais im Département Pas-de-Calais hat ebenfalls erkannt, welche Bedeutung diese Treffen für die Region im Wandel haben. Daher organisierte er im Jahr 2023 eine Reihe von Vor-Ort-Besichtigungen, um die Eigenschaften eines energiepositiven Gebiets ganz konkret erfahrbar zu machen.
Im Dorf Meys zieht besonders die neue Schule die Aufmerksamkeit auf sich: Sie überragt ein Ökoquartier mit Sozialwohnungen, deren Dächer mit glänzenden Photovoltaikmodulen bedeckt sind. Zudem sind sie mit großzügigen Fensterfronten und einem Ausblick auf die Hügellandschaft Monts du Lyonnais ausgestattet, hinter der gerade die Sonne untergeht. Das Schulgebäude ist so konzipiert, dass es durch sein begrüntes Dach einerseits für ein angenehmes Raumklima sorgt und gleichzeitig die Energiekosten der Kommune minimiert.
Neben der Energieeffizienz wurden auch grundsätzliche Verhaltensweisen der Einwohner:innen überdacht. Die Kurzparkzone wurde durch einen sicheren, begrünten Fußweg, der bis zum Eingang der Schule führt, ersetzt, um die Nutzung des Autos auf kurzen Strecken zu reduzieren und sanfte Mobilität zu fördern. Sparsamkeit, Energieeffizienz und die Erzeugung nachhaltiger Energien sind die Grundpfeiler des TEPOS-Netzwerks. Sie gründen auf dem dreiteiligen Negawatt-Ansatz, der nach einem französischen Verein benannt ist, der ein Zukunftsszenario für die Erreichung der Klimaneutralität bis 2050 entworfen hat.
Einen Teilnehmer des Besuchs in Meys inspirierte diese Errungenschaften besonders: Michel Renaudet, den stellvertretenden Bürgermeister des Ortes Muttersholtz im Elsass. In dieser Kommune, in der ökologische Transformation und deutsch-französische Zusammenarbeit Hand in Hand gehen, ist der energiepositive Ansatz auch ein finanzieller Erfolg. Die Wasserturbinen, die dank der Finanzierung durch die Ausschreibung für Gebiete mit positiver Energiebilanz für grünes Wachstum (frz.: Territoires à Energie Positive pour la Croissance Verte, kurz: TEPcv) des französischen Amts für ökologischen Wandel ADEME installiert wurden, produzieren dreimal mehr Energie als für die Deckung des kommunalen Bedarfs erforderlich ist. Durch eine groß angelegte Maßnahme, die darauf abzielte, die Verbraucher:innen in die Verantwortung zu nehmen, konnte der Verbrauch weiter reduziert werden. In Muttersholtz geht der noch Wandel weiter und hat auch eine soziale Dimension: Das Dorfzentrum wurde zu einer Fußgängerzone mit überdachtem Treffpunkt umgestaltet. Die Einweihung der „Halle der Synergien“ im Juli 2023 war der bisherige Höhepunkt des Ansatzes, der auch auf Geselligkeit und Zusammenleben ausgerichtet ist.
Ländlich, gesellig, kreativ
Diese Geselligkeit erstreckte sich auch auf das TEPOS-Treffen. Am Ende eines arbeitsreichen Tages trafen sich die Teilnehmenden zu musikalischen Abenden und anregenden Begegnungen. Nach dreizehn Veranstaltungen, die jeweils die Gelegenheit boten, in die Einzigartigkeiten einer Region einzutauchen, waren die Gesichter vertraut und die Wiedersehensfreude groß.
Die Mehrheit der anwesenden Akteur:innen kam aus ländlichen Regionen, wo die Energiewende aus wirtschaftlicher Notwendigkeit, dem Engagement entschlossener Gemeindeteams wie in Muttersholtz oder durch Bürgerinitiativen vorangetrieben wird. Diese Beobachtung unterstreicht die Bedeutung regionaler Innovationskraft, um weitreichende Veränderungen zu bewirken. Genau hier setzt das Deutsch-Französische Zukunftswerk an, wo der Dialog von den Beteiligten selbst begonnen und gemeinsam über zukunftsweisende Fragestellungen nachgedacht wird.
In Deutschland gibt es ein Pendant zu diesen energiepositiven Regionen. Die Gemeinde Hoort im Amt Hagenow-Land ist ebenfalls eine Partnerkommune des Zukunftswerks. Mit ihrem Windpark, der zu 95 Prozent von den Bürger:innen finanziert wird, produziert die Kommune erneuerbare Energie und teilt die Gewinne mit den Einwohner:innen, die Anteile an der Anlage erworben haben. Diese inspirierenden Beispiele deutscher und französischer Kommunen, die sich für die Energiewende einsetzen, stärkt das Deutsch-Französische Zukunftswerk in seiner Funktion als Plattform für innovative Regionen in beiden Länder.